Abschleppkosten, Standgebühren, Mietwagenkosten, An- und Abmeldekosten sowie Wiederbeschaffungskosten und deren Ersetzbarkeit als Unfallschaden
AG Achern, Urteil vom 19.02.2016, AZ:1 C 75/15
Hintergrund
Die Klägerin begehrte vor dem AG Achern restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20.03.2015. Hierbei stand die Eintrittspflichtigkeit der Beklagten als Kfz- Haftpflichtversicherung des Unfallgegners fest. Das Autohaus der Klägerin schleppte das Fahrzeug am 23.03.2015 rund 55 km zum Betriebsgelände ab. Für das Abschleppen wurden 602,44 € in Rechnung gestellt. Hierauf bezahlte die Beklagte lediglich 160,65 €. Fest stand, dass es sich beim Autohaus um die „Haus- und Hofwerkstatt“ der Klägerin handelte.
Weiterhin entstanden der Klägerin Standgebühren für den Zeitraum 23.03.2015 bis 30.03.2015 in Höhe von 99,96 €, wovon die Beklagte 83,30 € vorgerichtlich bezahlte. Der Mietwagen wurde der Klägerin in Höhe von 1.714,14 € für den Zeitraum vom 25.03.2015 bis 07.04.2015 für ein Fahrzeug der Gruppe 1 in Rechnung gestellt. Die Beklagte bezahlte vorgerichtlich lediglich 982,84 €. Bei dem vermieteten Fahrzeug handelte es sich nicht um ein Selbstfahrervermietfahrzeug, sondern um einen Werkstattersatzwagen. Bezüglich der An- und Abmeldekosten begehrte die Klägerin eine Pauschale in Höhe von 70,00 €. Vorgerichtlich wurden 60,00 € bezahlt.
Des Weiteren begehrte die Klägerin pauschale Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 75,00 €, welche auf Beklagtenseite vorgerichtlich überhaupt nicht ersetzt wurden. Ansonsten begehrte die Klägerin noch für 18 Tage Nutzungsausfall. Das AG Achern sprach lediglich weitere Mietwagenkosten in Höhe von 527,56 € sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 64,02 € zu und wies ansonsten die Klage ab.
Aussage
Bezüglich der Abschleppkosten führte das AG Achern aus, dass der erforderliche Kostenaufwand gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der ortsüblichen Vergütung zu schätzen sei. Grundsätzlich seien nur Abschleppkosten in die nächste geeignete Fachwerkstatt erforderlich. Die Klägerin habe keine Gründe dargetan, wieso eine Verbringung des verunfallten Fahrzeugs in die nicht nächstgelegene „Haus- und Hofwerkstatt“ der Klägerin erforderlich gewesen sei.
Bezüglich der Standgebühren ging das AG Achern zwar grundsätzlich von deren Ersetzbarkeit aus, hielt allerdings einen Tagessatz in Höhe von 10,00 € netto für ortsüblich und angemessen. Den darüber hinausgehenden Betrag sprach das Gericht mithin nicht zu. Die Mietwagenkosten schätzte das AG Achern anhand des Schwacke-Automietpreisspiegels 2014. Hierbei handele es sich um eine geeignete Grundlage für die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schadenschätzung. Den Fraunhofer-Marktpreisspiegel lehnte das Gericht als ungeeignet ab. Besonders moniert wurde die Internetlastigkeit dieser Schätzgrundlage sowie die Ermittlung anhand zu großer PLZ-Regionen. Die fehlende Zulassung des Mietwagens als Selbstfahrervermietfahrzeug stehe einer Ersetzbarkeit dieses Schadens nicht entgegen, sie habe keinerlei Einfluss auf den Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz.
Bezüglich der An- und Abmeldekosten verneinte das AG Achern die Möglichkeit eine Pauschale einzufordern. Diese würde von der Rechtsprechung dann zugesprochen, wenn beispielsweise Kleinausgaben im Einzelnen nicht oder kaum belegbar seien bzw. diese zu erfassen, eine erhebliche Mühewaltung erfordere. Dies gelte allerdings für die Kosten der An- und Abmeldung nicht. Hier müssten die Kosten im Einzelnen belegt werden. Den erstatteten Betrag in Höhe von 60,00 € hielt das AG Achern jedenfalls für ausreichend. Außerdem sah es keinen Anspruch auf pauschale Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 75,00 €. Hier müsste konkret vorgetragen werden. Die Geltendmachung einer Pauschale sei nicht zulässig.
Praxis
Das Urteil des AG Achern ist für die Praxis sehr interessant, befasst es sich doch mit zahlreichen typischen Schäden nach einem Verkehrsunfall. Erfreulich ist die Bestätigung des Schwacke-Automietpreisspiegels. Hier fällt besonders die Aussage ins Auge, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Selbstfahrervermietfahrzeug vermietet wurde oder nicht. Dies spielt im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger schlicht und einfach keine Rolle. Bei den Abschleppkosten wurde keinesfalls festgestellt, dass diese nur bis zur nächsten Fachwerkstatt ersetzbar seien. Vielmehr monierte das Gericht fehlenden Vortrag zur Notwendigkeit des Abschleppens des Fahrzeugs zur Vertrauenswerkstatt der Klägerin. Das Argument, dass es sich um die „Haus- und Hofwerkstatt“ der Geschädigten handele, ist für sich nicht ausreichend.
Die Ansicht, An- und Abmeldegebühren bzw. auch Wiederbeschaffungskosten könnten nicht pauschal geltend gemacht werden, ist sicherlich diskutabel. Zahlreiche Gerichte sehen dies anders und sprechen eine entsprechende Pauschale zu. Auch die Versicherer ersetzen eine solche Pauschale regelmäßig, wobei die Beträge zwischen 60,00 € bis 120,00 € schwanken. Hierbei handelt es sich im Übrigen um eine Position, welche in der Praxis häufig übersehen wird. Für das Autohaus besteht hier die Möglichkeit, die An- und Abmeldung als kostenpflichtigen Service anzubieten. Auf Basis der Rechnung des Autohauses kann dann der Geschädigte konkreten Schaden beziffern.