Zur Zulässigkeit einer Verweisung auf eine günstigere Referenzwerkstatt bei fiktiver Abrechnung
AG Unna, Urteil vom 01.02.2016, AZ: 16 C 128/15
Hintergrund
Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls und beziffert die – fiktiven – Reparaturkosten durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens. Zum Nachweis der Reparatur des Fahrzeugs beauftragte der Kläger eine Reparaturbestätigung.
Die Beklagte kürzte die Netto-Reparaturkosten unter Verweis auf eine im Prüfbericht enthaltene günstigere Reparaturmöglichkeit in einem Referenzbetrieb. Das Gericht erhob Beweis durch ein schriftliches Sachverständigengutachten zum Thema der Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten gekürzten Schadenpositionen.
Aussage
Das AG Unna hielt die im Sachverständigengutachten kalkulierte Gebühr für das Abstempeln eines beschädigten Kennzeichens von 35,00 € für erkennbar übersetzt, da gemäß Ziffer 228 der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr diese Position mit 2,60 € angesetzt wird. Die Kürzung durch die Beklagten in Höhe von 10,76 € war vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Nicht gerechtfertigt hingegen war nach Auffassung des Gerichts der Abzug von UPE- Aufschlägen und Verbringungskosten. Bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis sind diese Positionen grundsätzlich zu ersetzen, wenn sie in der jeweiligen Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise erhoben werden bzw. üblich sind. Dies war vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall.
Auch die Kürzung der Stundenverrechnungssätze stellte sich nach der Überzeugung des Gerichts als nicht gerechtfertigt heraus. Zwar darf der Geschädigte bei der fiktiven Schadenberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht darf der Geschädigte allerdings auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt unzumutbar machen. Dieser Beweis ist der Beklagten weder hinsichtlich der Fahrzeuglackierung noch bei den Karosseriearbeiten gelungen.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der benannte Reparaturbetrieb zwar über die erforderlichen sachlichen Mittel verfügt, jedoch nicht über die personellen Mittel, da weder ein Lackiermeister vorhanden ist noch der Qualitätsstandard regelmäßig durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle überprüft wird.
Hinsichtlich der Karosseriearbeiten war schon nicht feststellbar, ob diese durch den Referenzbetrieb überhaupt günstiger angeboten werden könnten, da aufgrund der am klägerischen Fahrzeug befindlichen Park Distance Control das Fahrzeug nach Erneuerung des hinteren Stoßfängers in eine BMW-Vertragswerkstatt verbracht werden müsste, wofür der Referenzbetrieb pauschal eine Stunde an Verbringungskosten kalkulieren würde.
Auch die Kürzung der kalkulierten Kleinersatzteile von 5 % auf 2 % konnte das Gericht nicht nachvollziehen.
Im Ergebnis war lediglich der Abzug in Höhe von 10,76 € für die Abstempelung des Kennzeichens nach Auffassung des Gerichts zu Recht erfolgt.
Praxis
Das AG Unna lehnt seine Entscheidung an die vom BGH aufgestellten Grundsätze an, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Fachwerkstatt verweisen kann, wenn die Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und keine sonstigen Unzumutbarkeitsgründe entgegenstehen.