Zur Zulässigkeit einer Verweisung auf eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit und zur Erstattungsfähigkeit fiktiver Verbringungs- und Reinigungskosten
LG München II, Urteil vom 19.01.2016, AZ: 3 O 2575/13
Hintergrund
Die Parteien streiten um restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger begehrt die Abrechnung auf Basis des von ihm beauftragten Gutachtens, welches u.a. Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, Verbringungskosten und Reinigungskosten enthielt.
Die beklagte Haftpflichtversicherung vertritt die Ansicht, bei der Berechnung der Reparaturkosten sei der Stundenlohn einer von ihr konkret benannten freien Fachwerkstatt zugrunde zu legen. Auch die Positionen „Fahrzeugverbringung“ und „Fahrzeug waschen“ seien nicht zu ersetzen.
Aussage
Das Gericht erhob Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.
Zwar darf der Geschädigte bei der fiktiven Schadenberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht darf der Schädiger allerdings auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt unzumutbar machen. Dieser Beweis ist der Beklagten gelungen.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der benannte Reparaturbetrieb grundsätzlich über die notwendigen Werkzeuge und das notwendige Personal verfügt, um eine gleichwertige Karosseriearbeit wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchzuführen. Der Betrieb hat sich auf Karosserieinstandsetzungen spezialisiert und verfügt diesbezüglich über spezifisches Wissen. Zudem wird der Betrieb von umliegenden Autohäusern – auch einer BMW Markenvertretung – mit Karosseriearbeiten beauftragt.
Der Kläger hat keine Umstände aufgezeigt, die ihm eine solche Verweisung unzumutbar machen würden.
Der Verweis erst während des Rechtsstreits war auch nicht verspätet, da es für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, unerheblich ist, ob und wann der Schädiger auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist.
Nur die Positionen „Fahrzeugverbringung“ und „Fahrzeug waschen“ stellten sich vorliegend als erstattungsfähig heraus. Der benannte Karosseriebetrieb verfügt über keine eigene Lackiererei und auch bei einer Reparatur in diesem Betrieb werden Verbringungskosten berechnet. Der vom Gericht bestellte Sachverständige stellte weiter fest, dass aus technischer Sicht eine Wäsche erforderlich ist, um benachbarte Bauteilgruppen am Fahrzeug beilackieren zu können.
Praxis
Das LG München hat die Zulässigkeit einer Verweisung auf die günstigeren Konditionen eines Referenzbetriebes im Rahmen der fiktiven Abrechnung unter Berücksichtigung der vom BGH hierzu aufgestellten Grundsätze beurteilt. Verfügt ein Referenzbetrieb über keine eigene Lackiererei und fallen daher Verbringungskosten an, sind diese auch bei fiktiver Abrechnung zu erstatten.