Unwirksame Klausel in Automietvertrag über verschuldensunabhängigen Schadenselbstbehalt, Steinschlag als unabwendbares Ereignis
AG München, Endurteil vom 29.04.2024, AZ: 231 C 10607/24
Hintergrund
Der Kläger mietete einen Tesla. Bei der Rückgabe wurde ein Steinschlag festgestellt. Im Mietvertrag vereinbart war ein „Selbstbehalt pro Teil- und Vollkasko Schadensfall“ in Höhe von 500,00 €, den die Beklagte von der Kreditkarte des Kläger einzog. Das AG München kam zu dem Schluss, dass hierauf kein Anspruch bestand, die Beklagte um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert wurde und dem Kläger zu erstatten hat.
Aussage
Die Beklagte hat 500,00 € in Form der Gutschrift des Rechnungsbetrags auf ihrem Konto durch
Leistung ohne Rechtsgrund gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt BGB erlangt. Dies ist durch
zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens seitens des Klägers geschehen. Auch wenn der
Lastschrifteinzug durch die Initiative des Gläubigers ausgelöst wird, wird dieser wie eine
Überweisung behandelt und ist daher rechtlich und wirtschaftlich als Leistung des Schuldners
zu werten.
Ein Rechtsgrund für die Einziehung des Betrages über die Kreditkarte des Klägers bestand
nicht. Die Beklagten hat keinen Schadenersatzanspruch gemäß § 535, 280 Abs. 1 BGB aus
dem Mietverhältnis über den Tesla gegen den Kläger, da der eingetretene Schaden nicht durch
den Kläger zu vertreten ist. Die Reparatur war unstreitig aufgrund eines Steinschlags
erforderlich. Zu derartigen Schäden kommt es häufig, ohne dass diese vom Fahrer zunächst
überhaupt bemerkt würden, durch Aufschleudern kleinster Steinchen auf der Fahrbahn. Diese
sind gerade auf der Autobahn regelmäßig zuvor nicht erkennbar, sodass der Fahrer derartige
Schäden nicht vermeiden kann. Der Mieter kann daher das Risiko derartiger Schäden daher
ebenso wenig beherrschen wie der Vermieter. Das Risiko eines Steinschlags stellt daher ein
nicht beherrschbares Risiko und ein unabwendbares Ereignis dar.
Ein Schadenersatzanspruch besteht auch nicht aufgrund der Regelung in der Bestellübersicht
der Beklagten, welche wie folgt lautet: „Selbstbehalt pro Teil- und Vollkasko Schadensfall
500 €“.
Eine derartige verschuldensunabhängige Regelung weicht vom mietrechtlichen Grundsatz des
§ 538 BGB ab. Eine Abbedingung dieser Vorschrift ist grundsätzlich möglich. Eine Regelung
einer verschuldensunabhängigen Haftung innerhalb der einseitig gestellten allgemeinen
Geschäftsbedingungen führt allerdings ohne Vereinbarung eines Nachteilsausgleichs für den
Mieter oder sonstige entgegenstehenden höherrangige Interessen des Vermieters zu einer
Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Interessen dieser Art wurden von der
Beklagten nicht vorgetragen; auch ein besonderer Nachteilsausgleich zugunsten des Klägers
ist nicht ersichtlich.
Ein Rechtsgrund für die Kreditkarteneinziehung ergibt sich weiterhin mangels Verschulden des
Klägers auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB.
Praxis
Bei der Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gilt es, die §§ 305 ff. BGB zu
beachten. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Das ist nach § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht
zu vereinbaren ist.
Die hier verwendete Klausel begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des
Fahrzeugmieters für während der Mietzeit entstehende Schäden. Eine solche Regelung kann
nicht wirksam getroffen werden. Ausnahmen hiervon kommen nur dann in Betracht, wenn sie
durch höherrangige Interessen des Vermieters gerechtfertigt sind oder durch Gewährung
anderer rechtlicher Vorteile ausgeglichen werden. Das war hier nicht der Fall und für
Unabwendbares haftet man nicht.
Quelle:
Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK-