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Nachweis der Instandsetzung eines Vorschadens vor Klageerhebung

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 01.10.2024, AZ: 3 W 7/24

Hintergrund

Nach einem Verkehrsunfall mit unstreitiger Haftung holte der spätere Kläger zur Schadenermittlung ein Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten wurde ein Vorschaden im Heckbereich als sach- und fachgerecht repariert angegeben, unreparierte Vorschäden wurden keine festgestellt.

Die gegnerische Haftpflichtversicherung war der Auffassung, dass die eingereichten Unterlagen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens nicht ermöglichten, da eine Überlagerung mehrerer Schadenereignisse nicht auszuschließen sei und eine sach- und fachgerechte Reparatur nicht dargelegt werde. Die Schadenzahlung wurde zurückgestellt.

Auf die eingereichte Klage wies die Haftpflichtversicherung erneut auf die aus ihrer Sicht fehlende Darlegung der behaupteten sach- und fachgerechten Reparatur des Vorschadens hin. Der Kläger ließ daraufhin vortragen, sein Fahrzeug habe Ende 2016 einen Heckschaden erlitten, der durch eine Fachwerkstatt sach- und fachgerecht repariert worden sei und legte hierzu eine Rechnung vor.

Die Versicherung regulierte unmittelbar darauf den Schaden des Klägers. Die Parteien erklärten in der Folge den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das LG Saarbrücken (AZ: 10 O 43/24) erlegte die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auf, da der Kläger notwendige Angaben zur Darlegung des Schadens erst im Laufe des Rechtsstreits gemacht und die Beklagte die entsprechenden Schäden umgehend ausgeglichen habe. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aussage

Zu Recht wurden dem Kläger nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Es ist demnach vornehmlich darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre. Den Kläger treffen nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO gleichwohl die Kosten, wenn der Beklagte keinen Anlass zur gerichtlichen Geltendmachung des Klageanspruchs gegeben und denselben sofort nach Zustellung der Klage beziehungsweise sofort nach Fälligkeit erfüllt oder den Kläger sonst klaglos gestellt. Das ist hier der Fall. Denn die Beklagten haben hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Klageforderung keinen Anlass zur Klage gegeben und diesen Teil der Klageforderung auch sofort im Sinne des § 93 ZPO erfüllt.

Eine Partei gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Dieser Schluss ist etwa gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt. Ein Anlass zur Klageerhebung fehlt hingegen in der Regel, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Leistung nur wegen eines Gegenanspruchs zurückhält und dieser Anspruch besteht. Denn dann kann der Kläger auch ohne zusätzliche besondere Erklärungen des Schuldners vernünftigerweise damit rechnen, dass dieser lediglich die Erfüllung des Anspruchs erreichen will, auf dessen Grundlage er die Erbringung der verlangten Leistung (zunächst) verweigert, und leisten wird, wenn der Anspruch erfüllt wird.

Nach diesen Grundsätzen fehlt es regelmäßig an einem Anlass zur Klageerhebung, wenn es der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte entgegen § 119 Abs. 3 VVG unterlässt, vom Versicherer berechtigterweise angeforderte Auskünfte zu erteilen oder Belege zur Verfügung zu stellen und der Versicherer seine Leistung aus diesem Grund verweigert. Auf die Frage, ob § 119 Abs. 3 VVG ein echtes Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 BGB begründet oder lediglich eine Obliegenheit, deren Verletzung durch den Geschädigten bei wertender Betrachtung im Rahmen des § 93 ZPO sanktioniert wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Der Kläger war hier gemäß § 119 Abs. 3 VVG zur Auskunft und Vorlage weiterer Unterlagen verpflichtet, damit die Erstbeklagte als regulierungsbefugter Haftpflichtversicherer die geltend gemachten Reparaturkosten prüfen konnte, um danach eine Entscheidung über den Grund und die Höhe ihrer Einstandspflicht treffen zu können.

Der Geschädigte muss nach allgemeinen Regeln das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG darlegen und beweisen. Dabei bleibt es auch, wenn der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer den Umfang oder die Höhe des geltend gemachten Schadens bestreitet mit der Behauptung, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden. Der Geschädigte muss dann darlegen und beweisen, welcher Schaden (abgrenzbar) auf das spätere Schadenereignis zurückzuführen ist. Das schließt je nach Lage des Falles die Notwendigkeit von Darlegungen dazu ein, dass und auf welche Weise ein Vorschaden beseitigt wurde. Sowohl die Darlegung als auch die Beweisführung werden dem Geschädigten im Prozess durch § 287 ZPO erleichtert. Danach genügt es für die Ersatzfähigkeit eines mit dem späteren Schadenereignis kompatiblen Schadens, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass dieser Schaden bereits durch das Vorschadenereignis entstanden ist.

Mit Blick darauf, dass in dem vom Kläger eingeholten und an die Erstbeklagte übermittelten Schadengutachten ausdrücklich auf einen Vorschaden im selben Schadenbereich („Heckbereich“) verwiesen und zugleich dessen sach- und fachgerechte Beseitigung behauptet wurde, ohne dies zu erläutern oder durch Unterlagen zu stützen, war die Erstbeklagte berechtigt, vom Kläger zunächst weitere Informationen und die Vorlage von Belegen hinsichtlich der Art des Vorschadens und seiner Behebung anzufordern. Dies hat die Erstbeklagte in hinreichender Weise getan, indem sie den Kläger bereits bei ihrem ersten Antwortschreiben und auch danach wiederholt auf die Notwendigkeit näherer Darlegung des Vorschadens und seiner (etwaigen) Behebung hingewiesen und zugleich betont hat, dass die Schadenregulierung insoweit zurückgestellt werde.

Der Kläger wäre deshalb unter den Umständen des Streitfalls verpflichtet gewesen, weitere Auskünfte zum Vorschaden zu erteilen und die ihm zur Verfügung stehende Werkstattrechnung über die Behebung des Vorschadens vorzulegen, anstatt sich – wie erfolgt – auf die Übersendung des Schadengutachtens zu beschränken.

Dabei bedarf keiner abschließenden Entscheidung, wie weit allgemein die vorprozessuale Darlegungslast eines Geschädigten hinsichtlich der Abgrenzbarkeit von Vorschäden und deren (etwaiger) Behebung reicht. Denn jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem der Vorschaden während der Besitzzeit des Geschädigten eingetreten ist und der Geschädigte über entsprechende Werkstattrechnungen verfügt, aus denen der Vorschaden und dessen sach- und fachgerechte Behebung ohne Weiteres nachvollzogen werden können, ist der Geschädigte bezüglich eines solchen Vorschadens dem Versicherer des Unfallschädigers nach § 119 Abs. 3

VVG nicht nur zur Auskunft, sondern auch zur Vorlage der entsprechenden Rechnungen verpflichtet.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Kostenprivilegierung der Beklagten liegen vor. Denn die Erstbeklagte hat unstreitig den Anspruch des Klägers sofort nach Zustellung des Schriftsatzes erfüllt, in dem der Klägervertreter den Vorschaden erläutert und die entsprechende Werkstattrechnung vorgelegt hatte. Eines prozessualen Anerkenntnisses im Sinne des § 93 ZPO bedurfte es insoweit nicht. Denn der Rechtsgedanke des § 93 ZPO findet auch dann Anwendung, wenn der Beklagte die Klageforderung im Prozess sofort nach Behebung des Leistungshindernisses (hier: § 119 Abs. 3 VVG) und so eine rechtzeitige abschließende Entscheidung über die Klageforderung trifft.

Praxis

Allgemein gilt bei Vorschäden, dass der Geschädigte die kausale Verursachung und den Umfang eines Schadens darzulegen hat (BGH, Urteil vom 15.10.2019, AZ: VI ZR 377/19).
Wenn der Schädiger den Umfang oder die Höhe des Schadenersatzes bestreitet und behauptet, das Fahrzeug sei bereits durch ein vorheriges Ereignis beschädigt worden, muss der Geschädigte darlegen und ggf. beweisen, dass die Beschädigung unfallbedingt ist. Dieser Darlegungs- und Beweislast kann der Geschädigte in erster Linie durch den Nachweis der Beseitigung der geltend gemachten Vorschäden nachkommen.

Es dürfte klar sein, um welchen Versicherer es sich im Streitfall handelte, der beim kleinsten Hauch eines Vorschadens eine Entschädigungszahlung zurückstellt, solange nicht die sach- und fachgerechte Instandsetzung bis zur letzten Schraube nachgewiesen wurde. Umso ärgerlicher, dass der Kläger hier – obgleich es ihm problemlos möglich gewesen wäre – vorhandene Werkstattrechnungen nicht bereits vorprozessual, sondern erst im Klageverfahren vorlegte, woraufhin der Versicherer sofort zahlte.

Sicher kann man sich trefflich darüber streiten, welches „mehr“ an Informationen der Versicherer durch die Werkstattrechnung im Vergleich zu einem Sachverständigengutachten erlangt hat. Zumindest aber kann anhand der Rechnung der Reparaturweg nachvollzogen werden, während das Sachverständigengutachten „nur“ das Ergebnis der sach- und fachgerechten Instandsetzung dokumentiert.

Für die Praxis kann nur angeraten werden, sämtliche Informationen und vorhandenen Dokumente zu einem instand gesetzten Vorschaden bereits vorprozessual vorzulegen und erst dann zu klagen.

Quelle:
Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK-

Telefon 0800 500 50 25

 
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