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Desinfektionskosten sind zu erstatten

AG Krefeld, Urteil vom 23.09.2021, AZ: 10 C 73/21

Praxis

Leider gehört es derzeit zur gängigen Praxis, dass Versicherer die Kosten für die Desinfektion eines Fahrzeugs kürzen, obwohl die ständige Rechtsprechung diese Kosten als erstattungsfähig ansieht. Hier empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung der Schadenposition zu beauftragen.

Hintergrund

Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Reparaturkosten in Höhe von 53,32 € nach einem Verkehrsunfall. Die Beklagte verweigert die Regulierung der in Rechnung gestellten Desinfektionskosten, die aufgrund der Covid-19 Pandemie angefallen waren.

Aussage

Nach Ansicht des AG Krefeld sind die Kosten für die Desinfektion zu erstatten.

Das Gericht führt wörtlich aus:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte, der das Unfallfahrzeug zur Reparatur gibt, nach § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs erforderlich ist. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (BGHZ 63,182 ff.). In diesem Sinne ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen. Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde den Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung vom Geschädigten grundsätzlich nicht kontrolliert werden kann. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug - wie hier - reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1989, VI ZR 334/88, Rn. 11). Mithin können daher die "tatsächlichen" Reparaturkosten regelmäßig für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes herangezogen werden und zwar auch dann, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten - etwa wegen überhöhtem Ansatz von Material und Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist - unangemessen sind (vgl. BGH Urteil vom 29.10.1974, VI. ZR 42/73). In diesem Fall aber ist grundsätzlich auch kein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht gegeben. Denn das Werkstattrisiko geht grundsätzlich zu Lasten des Schädigers. Werden daher Reparaturarbeiten vorgenommen, die in technischer Hinsicht nach § 249 BGB gegebenenfalls nicht erforderlich waren, so gehen diese Prognosefehler des Sachverständigen bzw. der Reparaturwerkstatt zu Lasten des Schädigers (Prognoserisiko), da die Werkstatt kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist und der Schädiger die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes schuldet, so dass Prognosefehler ihn selbst betreffen. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten dadurch anfallen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt mit überhöhten Sätzen und unsachgemäß oder unwirtschaftlich gearbeitet hat (Werkstattrisiko), trägt grundsätzlich der Schädiger (vgl. BGH a.a.O.). Es sei denn, dem Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden.“

Gemessen an diesen Grundsätzen waren auch die Kosten für die Desinfektion zu erstatten, der Reparaturauftrag wurde auf Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens erteilt. In diesem Gutachten waren die besagten Kosten bereits aufgeführt, die Klägerin durfte sich mithin auf die Kalkulation des Sachverständigen verlassen und genießt hierbei ein schutzwürdiges Vertrauen.

Das Risiko liegt auch bezüglich der Desinfektionskosten beim Schädiger, ein Auswahlverschulden der Klägerin hinsichtlich der Auswahl des Sachverständigen ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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