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Geschädigter eines Haftpflichtschadens kann restliche Instandsetzungskosten verlangen

AG Zittau, Urteil vom 08.07.2021, AZ : 14 C 518/20

Praxis

Das Urteil des AG Zittau stärkt die Rechte des Geschädigten.

In der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass die Versicherer bereits während oder vor Beginn der Reparatur unfallbedingter Schäden Kontakt mit dem Geschädigten aufnehmen und Prüfberichte übersenden. Teilweise werden diese Prüfberichte unmittelbar der Werkstatt übermittelt, sobald diese bekannt ist. Die Versicherer versuchen dann, im Rahmen eines Prozesses zu argumentieren, der Geschädigte habe sehenden Auges die Reparatur beauftragt, obwohl bekannt war, dass die kalkulierten bzw. sodann berechneten Reparaturkosten nicht erforderlich gewesen seien.

Dies sieht das AG Zittau allerdings ganz klar anders. Derartige Prüfberichte der Schädiger- Versicherung seien gerade nicht geeignet, das Vertrauen des Geschädigten in die Richtigkeit des Gutachtens zu erschüttern.

In der Praxis ist im Haftpflichtschadenfall dem Geschädigten stets anzuraten, sich bei Vorliegen der Voraussetzungen (Erreichen der Bagatellschadengrenze) an ein Sachverständigenbüro zu wenden, um den Schaden umfänglich und beweiskräftig feststellen zu lassen. Auf Basis dieses Gutachtens kann er dann auch die Reparatur beauftragen. Daran ändern auch irgendwelche vorgelegten Prüfberichte der gegnerischen Versicherung nichts.

Der Geschädigte darf sich auf die Aussagen seines Gutachters verlassen. Das Werkstatt- und Prognoserisiko liegt auf Schädigerseite.

Hintergrund

Unstreitig haftete der Beklagte als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Motorrads für den am Klägerfahrzeug entstandenen Schaden. Die Haftungsquote von 100 % zulasten der Beklagtenseite stand fest. Der Kläger beauftragte zur Ermittlung seines Kfz-Schadens ein Gutachten. Sodann beauftragte er auf Basis des Gutachtens die Durchführung der Reparatur. Nach der Übermittlung der Reparaturrechnung kürzte die verklagte Haftpflichtversicherung die Reparaturkosten um den streitgegenständlichen Betrag von 483,51 €. Die Klage war vollumfänglich erfolgreich.

Aussage

Das AG Zittau stellte fest, dass der vom Kläger beauftragte Sachverständige das Fahrzeug am 10.08.2020 um 8.00 Uhr von oben und unten besichtigte. Der Sachverständige hielt den Schaden fest und brachte diesen mit dem geschilderten Hergang des Unfalls in Einklang. Auch gab er Hinweise zum Reparaturweg.

Hierzu gehörte auch eine Lackangleichung bei den angrenzenden Bauteilen. Bei dem „problematischen Farbton“ des Fahrzeugs des Geschädigten sei davon auszugehen, dass zur Vermeidung von wahrnehmbaren Farbtondifferenzen diese Lackangleichungen erforderlich werden würden. Der Sachverständige bestätigte auch das Anfallen von Verbringungskosten, nachdem die vom Kläger ausgewählte Reparaturwerkstatt keine eigene Lackiererei unterhielt.

Der Beklagte stützte sich bei seiner Argumentation gegen die streitgegenständliche Forderung auf einen Prüfbericht. Diesen hielt das AG Zittau allerdings nicht für überzeugend. Zur Farbtonangleichung habe der Prüfbericht einen Dreizeiler enthalten, eine Glanzgradangleichung sei ausreichend. Außerdem entfielen Lackvorbereitungszeiten für Kunststoffteile. Dies wurde allerdings überhaupt nicht begründet.

Das AG Zittau betonte, dass derjenige, der den Prüfbericht erstellt habe, das beschädigte Fahrzeug offensichtlich gar nicht in Augenschein genommen hätte. Der vom Kläger bestellte Sachverständige stellte allerdings ausdrücklich den „problematischen“ Farbton fest. Das Gericht griff auch den Vortrag des Klägers auf, dass aus dem Prüfbericht sich noch nicht einmal ergab, wer Aussteller war. Also ob z. B. ein Sachverständiger überprüft hatte. Auch dies sah das AG Zittau als gravierenden Mangel an. Letztendlich sei die Prüfung nicht geeignet, dem Sachverständigengutachten in der Klage Erhebliches entgegenzusetzen.

Auch dass die Reparaturkosten letztendlich um 455,32 € höher lagen, als vom Sachverständigen prognostiziert, ändere nichts an der Erstattbarkeit des Schadenersatzes. Der Unterschied liege in den Lackierkosten. Allerdings trage der Schädiger das Werkstatt- und Prognoserisiko. Außerdem liege es außerhalb des Einflussbereichs des Geschädigten, welchen Lackierbetrieb der Reparaturbetrieb für die Durchführung der Lackierarbeiten in Anspruch nehme.

Bezüglich der Verbringungskosten ergebe sich aus der Abrechnung, dass ganz offensichtlich derartige Kosten angefallen seien. Diese wurden vom Reparaturbetrieb mit 120 Arbeitswerten á 1,30 € in Rechnung gestellt. Der pauschalen Behauptung auf Beklagtenseite, der Lackierbetrieb würde die Fahrzeugverbringung kostenlos durchführen, folgte das AG Zittau nicht. Die Rechnung des Reparaturbetriebs indiziere, dass dieser das Fahrzeug zum Lackierer verbracht und wieder abgeholt habe.

Auch der Hinweis des Beklagten an den Kläger zum Zeitpunkt der Reparaturbeauftragung, dass sowohl die Erforderlichkeit als auch Ersatzfähigkeit der im Prüfbericht genannten Positionen abgelehnt werden würden, gereiche dem Beklagten nicht zum Vorteil. Die bloße Mitteilung der haftenden Versicherung auch unter Vorlage eines Prüfberichts, dass man einige Positionen der sachverständig ermittelten Reparaturkalkulation für nicht erforderlich und ersatzfähig halte, reiche nach völlig richtiger Ansicht des Klägers nichts aus, um das Vertrauen eines Geschädigten in das eingeholte Schadengutachten zu erschüttern. Ein Geschädigter, der ein Schadensgutachten durch einen anerkannten Gutachter einhole, sei nicht verpflichtet, Kürzungen des Schädigers Folge zu leisten.

Telefon 0800 500 50 25

 
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