zurück zur Übersicht

Restwertermittlung nach Verkehrsunfall am Standort des verunfallten Fahrzeugs

OLG Hamm, Urteil vom 11.02.2020, AZ: 11 U 5/20

Praxis

Das OLG Hamm entschied hier über eine Problematik, welche nicht allzu häufig vor Gericht abgehandelt wird. Es geht um die Frage, auf welche Region es bei der Restwertermittlung ankommt. Grundsätzlich gehen die Gerichte vom Standardfall aus, dass sich der Unfall im Bereich des Wohnorts des Geschädigten ereignet. Selbstverständlich ist es allerdings auch nicht selten, dass Unfälle – insbesondere bei Geschäfts-, Urlaubsreisen etc. – weiter weg vom Wohnort stattfinden. Liegt dann ein Totalschaden vor, stellt sich die Frage, welche Region für die Restwertermittlung maßgeblich ist.

Die gegnerische Versicherung monierte hier das Vorgehen des Sachverständigen. Der Restwert hätte in der Region des Wohnorts des Geschädigten ermittelt werden müssen.

Das OLG Hamm wies diese Ansicht mit stichhaltigen Argumenten zurück. Nach Ansicht des OLG Hamm kommt es also bei der Restwertveräußerung bezüglich der Frage, welche Region für die Ermittlung des Restwerts maßgeblich ist, auf diejenige an, in welcher das verunfallte Fahrzeug verbleibt. Es wäre wirtschaftlich unvernünftig, auf die Region des Wohnorts des Klägers abzustellen, da der Kläger das Fahrzeug ja dorthin verbringen müsste bzw. es lebensfern ist, dass Aufkäufer kostenlos Fahrzeuge vom Unfallort in die Region des Wohnorts des Geschädigten verbringen.

Hintergrund

Das OLG Hamm entschied als Berufungsinstanz über einen Schadenersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 15.12.2017. Es handelte sich um einen Haftpflichtschaden. Die Eintrittspflichtigkeit der verklagten unfallgegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung stand fest. Der Kläger wohnte mehr als 150 km vom Unfallort entfernt. Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Totalschaden und verblieb in J. (Unfallort), wo es auch zu einem Restwert veräußert wurde.

Der Gutachter ermittelte einen Brutto-Wiederbeschaffungswert von 8.400,00 €. Somit begehrte der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger – bei Differenzbesteuerung – die Netto- Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 8.195,12 €. An Restwert konnte er durch den Verkauf des am Unfallort verbliebenen Fahrzeuges 3.500,00 € erzielen. Diesen Restwert hatte der eingeschaltete Sachverständige auch in der Region des Unfallorts anhand regionaler Angebote ermittelt.

Die Beklagte bot allerdings die Vermittlung eines höheren Restwertes in Höhe von 5.150,00 € an. Dieses Angebot ging beim Kläger allerdings erst am 08.01.2018 ein, nachdem er sein verunfalltes Fahrzeug bereits zum gutachterlich ermittelten Restwert veräußert hatte.

Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich wirtschaftlich vernünftig verhielt, als er zum gutachterlich ermittelten Restwert von 3.500,00 € veräußerte. Er musste sich mithin vom Wiederbeschaffungswert lediglich den Restwert in Höhe von 3.500,00 € abziehen lassen und nicht – wie auf Beklagtenseite vorgenommen – den höheren Restwert von 5.150,00 €.

Aussage

Das OLG Hamm ging davon aus, dass der Kläger seiner Pflicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot dadurch nachkam, dass er sein Fahrzeug auf dem tatsächlich einschlägigen regionalen Markt veräußert hatte und für diesen Markt eine korrekte Restwertermittlung durch das Sachverständigenbüro im Gutachten vom 20.12.2017 erfolgt war. Es wären mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt worden.

Sodann setzte es sich mit der Frage auseinander, auf welchen regionalen Markt es bezüglich der Restwertbestimmung ankommt. Der BGH hatte dies nicht näher definiert. In Fällen eines wohnortnahen Unfalles habe z.B. das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 28.09.2019 (AZ: 9 U 137/16) angenommen, dass der regionale Markt auf eine Entfernung von 40 km vom Wohnort des Geschädigten zu begrenzen sei.

Im konkreten Fall lag der Wohnort des Klägers als Unfallgeschädigtem jedoch mehr als 150 km vom Unfallort und auch vom Ort, wo das Fahrzeug nach dem Unfall verlieb, entfernt.

Der Gutachter ermittelte den regionalen Restwert ausgehend vom Standort des Fahrzeugs. Das Gericht bestätigte die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls am Unfall- / Standort vorzunehmen. Diese habe wirtschaftlicher Vernunft entsprochen.

Das OLG Hamm begründete dies damit, dass andernfalls das Fahrzeug ja unter Umständen an den Wohnort des Klägers hätte verbracht werden müssen. Damit wären weitere Kosten entstanden, welche auf der Beklagtenseite zu erstatten gewesen wären. Es könne nicht angenommen werden, dass der Käufer bereit sei, dass Unfallfahrzeug kostenlos vom Unfallort abzuholen, ohne Abzüge vom Ankaufspreis zu machen. Dies liege bei wirtschaftliche Betrachtungsweise vielmehr fern. Damit habe sich die Restwertermittlung des Sachverständigenbüros, welches drei Angebote im Umkreis von 20 km bezogen auf den Unfallort eingeholt hatte, als ausreichend erwiesen.

Telefon 0800 500 50 25

 
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste, lesen Sie mehr über die Verwendung in unserer Datenschutzerklärung.