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Werkstattrisiko liegt beim Schädiger

AG München, Urteil vom 27.04.2020, AZ: 344 C 1094/20

Praxis

Das AG München folgt mit seinem Urteil der Rechtsprechung des BGH, wonach der Schädiger das Werkstattrisiko zu tragen hat. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn den Geschädigten bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt oder des beauftragten Sachverständigen ein Auswahlverschulden trifft.

Hintergrund

Die Parteien streiten um restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte unstreitig vollumfänglich haftet. Streitig ist allein, ob die Klägerin weitere 551,96 € netto für Bremsbeläge, Bremsscheiben und Kleinersatzteile ersetzt verlangen kann.

Aussage

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Anders als die Beklagte behauptet, handelt es sich um unfallbedingt erforderliche Positionen.

Das AG München führt aus, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob es sich bei sämtlichen in der Rechnung ausgeführten Reparaturmaßnahmen um erforderliche Instandsetzungs- maßnahmen und bei sämtlichen aufgeführten Kleinersatzteilen um notwendige handelt. Entscheidend ist allein, ob die Geschädigte die Reparatur in dem im Gutachten des Sachverständigen festgelegten Umfang in Auftrag geben durfte.

„Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte, der das Unfallfahrzeug selbst zur Reparatur gibt, nach § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs erforderlich ist. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss. In diesem Sinne ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen. Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadenbeseitigung unter einem fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einfluss stattfinden muss (...). Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadenausgleich zukommen soll. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug - wie hier - reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten. Die „tatsächlichen“ Reparaturkosten können deshalb regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten - etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist - unangemessen sind (...). Es besteht insoweit kein Sachgrund, dem Schädiger das Werkstattrisiko abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs.1 BGB überlassen würde.“

Im vorliegenden Fall wurden die Kosten für Bremsbeläge, Bremsscheiben und Kleinersatzteile in dem vorgerichtlich von der Klägerin eingeholten Sachverständigengutachten aufgeführt. Danach durfte die Klägerin die Kosten für erforderlich halten und die Reparatur in dem in dem Gutachten bestimmten Umfang in Auftrag geben. Die Bauteile wurden dabei auch als unfallbedingte Instandsetzungskosten aufgeführt.

Hinsichtlich der Kleinersatzteilpauschale sind die Kosten auch nicht zu beanstanden, es ist gerichtsbekannt, dass eine solche Pauschale von 2 % üblicherweise im Rahmen der Reparatur berechnet wird. Eine exakte Erfassung entsprechender Kleinteile wie Kleinstmengen von Schmierfetten ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll möglich.

Zuletzt liegt auch kein Verstoß gegen das der Klägerin obliegende Schadenminderungsgebot vor. Zwar kann ein Geschädigter solche Mehrkosten nicht ersetzt verlangen, die durch sein Verschulden bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt oder auch des Sachverständigen entstehen, ein Verschulden der Klägerin ist jedoch vorliegend weder vorgetragen noch sonst feststellbar.

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