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Erstattbarkeit von Desinfektionskosten im Rahmen der Reparatur eines Kfz- Haftpflichtschadens bestätigt

AG Aichach, Urteil vom 29.09.2020, AZ: 101 C 560/20

Praxis

Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anhand der sogenannten „Fracke“-Methode bestätigte die konkret abgerechneten Mietwagenkosten. Bezeichnenderweise musste zur Ermittlung der ortsüblichen Nebenkosten das AG Aichach wiederum auf den Schwacke- Automietpreisspiegel alleinig zurückgreifen. Dies erfolgte, nachdem der Fraunhofer- Marktpreisspiegel dahingehend keine Angaben enthält. Interessant ist die Entscheidung vor allem auch im Hinblick auf die bestätigten Kosten der Desinfektion bei einer Reparatur nach einem Unfall. Damit häufen sich die Urteile, welche die Erstattbarkeit derartiger Kosten bestätigen.

Dies ist auch naheliegend. Das Robert-Koch-Institut selbst hat auf seiner Homepage auf die Möglichkeit von Schmierinfektionen hingewiesen. Diesem Risiko sollen sich weder die Unfallgeschädigten noch die Mitarbeiter des Autohauses aussetzen. Somit ist es notwendig, das Fahrzeug sowohl bei der Annahme zur Reparatur als auch bei Rückgabe an den Kunden zu desinfizieren, was mit entsprechendem Material- und Zeitaufwand verbunden ist.

Das AG Aichach bestätigt nicht nur, dass der Geschädigte diese Kosten als erforderlichen Schaden verlangen kann, weil er nicht das Werkstatt- und Prognoserisiko trägt, sondern darüber hinaus stellt das AG Aichach ausdrücklich fest, dass derartige Kosten notwendig und erstattbar sind.

Trotz der dahingehend immer eindeutigeren Rechtsprechung ist es seitens der Versicherer immer noch gang und gäbe, die Kosten der Desinfektion heraus zu kürzen. Geschädigte sollten sich hiergegen wehren und die Kürzungen keinesfalls hinnehmen.

Hintergrund

Als weiteres Gericht (siehe auch AG Heinsberg, Urteil vom 04.09.2020, AZ: 18 C 161/20, AG Kempten, Urteil vom 14.10.2020, AZ: 6 C 844/20, AG Landsberg am Lech, Urteil vom 05.10.2020, AZ: 3 C 420/20) bestätigte das AG Aichach die Erstattbarkeit zusätzlicher Kosten der Desinfektion im Zusammenhang mit der Reparatur eines Kfz-Haftpflichtschadens.

Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Kfz-Haftpflichtschaden. Die Eintrittspflichtigkeit der verklagten unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung stand fest. Die vom Kläger mit der Durchführung der Reparatur beauftragte Werkstatt berechnete zusätzliche Kosten für die Desinfektion des Fahrzeugs aufgrund der COVID-19-Pandemie. Vorgerichtlich verweigerte die Beklagte die Zahlung dieser Kosten und hielt diese für nicht erforderlich.

Auch Mietwagenkosten wurden vorgerichtlich von der Beklagten nicht unerheblich gekürzt. Die hierauf erhobene Klage war vollumfänglich erfolgreich.

Aussage

Bezüglich der Kosten der Desinfektion führte das AG Aichach aus:

„Hinsichtlich der Maßnahmen zu Ansteckungsvermeidung erscheint dem Gericht nachvollziehbar, dass in der derzeitigen Pandemiesituation zusätzlicher Aufwand getrieben werden muss. Ein Sachaufwand von 15 Euro netto und ein zusätzlicher Arbeitsaufwand von 43,50 Euro netto für Desinfektionsmaßnahmen, Abdeckungen und längere Betriebsabläufe wegen Abstandsvorschriften sind ohne weiteres nachvollziehbar. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte auf die ins Blaue aufgestellte Vermutung kommt, der Reparaturbetrieb habe diese abgerechneten Vorgänge gar nicht erbracht. Es handelt sich zweifelsohne um Maßnahmen, die in der derzeitigen Lage erwartet werden dürfen und damit auch konkludent vertraglich vereinbart sind. Es besteht auch ein zurechenbarer Kausalzusammenhang zu dem Unfallereignis. Das Gericht schätzt den Aufwand demgemäß auf die abgerechneten Werte (§ 287 ZPO).“

Die Mietwagenkosten schätzte das AG Aichach anhand des Mittelwerts zwischen den Werten des Fraunhofer-Marktpreisspiegels und denjenigen des Schwacke-Automietpreisspiegels. Danach bestätigte sich der konkret abgerechnete Tarif. Bezüglich des Schwacke- Automietpreisspiegels zog das AG Aichach das arithmetische Mittel und nicht den Modus-Wert heran, denn der Fraunhofer-Marktpreisspiegel weise keinen Modus-Wert aus und außerdem hafte diesem ohnehin eine höhere Fehlerneigung an.

Zugesprochen wurden auch zusätzliche Nebenkosten für ein Fahrzeug mit Navigationssystem. Diese Nebenkosten entnahm das AG Aichach wiederum dem Schwacke-Automietpreisspiegel. Nachdem der Kläger klassengleich angemietet hatte, nahm das AGAichach einen Eigenersparnisabzug vor, allerdings lediglich in Höhe von 3 %.

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