Zur Erstattung der Kosten für eine Achsinstandsetzung bei fiktiver Abrechnung
AG Backnang, Urteil vom 28.07.2020, AZ: 6 C 545/19
Praxis
Werden bei einem Unfall sicherheitsrelevante Teile beschädigt, so kann der Geschädigte die Erneuerung dieser Teile verlangen und muss sich nicht auf eine Instandsetzung verweisen lassen. Dies gilt auch im Fall einer fiktiven Schadenabrechnung auf Gutachtenbasis.
Hintergrund
Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall vom 03.04.2019. Die Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Sie ist Haftpflichtversicherer des den Unfall verursachenden Fahrzeugs. Der Kläger macht den Schaden fiktiv auf Gutachtenbasis geltend.
Auf die vom Kläger geltend gemachten 4.329,01 € regulierte die Beklagte lediglich 2.385,89 €. Die Differenz bildet die Klageforderung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass für eine Beseitigung der Beschädigung ausreichend gewesen sei, die leicht außerhalb der Toleranz befindlichen Achswerte wieder einzustellen. Ein Austausch der Achshälfte und des Lenkgetriebes sei nicht notwendig gewesen.
Aussage
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.943,12 €.
Wie im vorgerichtlich eingeholten Gutachten ersichtlich war der Austausch der Achsenaufhängung, des Lenkgetriebes sowie der vorderen linken Felge unfallbedingt notwendig.
„Aus dem Fahrzeug-Vermessungs-Protokoll ergibt sich, dass die Spurweite deutlich in den negativen Bereich verstellt waren. Es ist davon auszugehen, dass die im Fahrzeug-Vermessungs-Protokoll festgestellten und von den Soll-Vorgaben des Herstellers abweichenden Spurweiten auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind. Denn der Anstoß des Klägerfahrzeugs erfolgte an dem linken Vorderrad und eine andere - nicht unfallbedingte - Ursache lässt sich anhand der Spurenlage nicht feststellen. Insbesondere liegen keine Hinweise darauf vor, dass die Spurwerte auf einer nicht unfallbedingten Streckung des Bordsteins beruhen. Denn ausweislich der Lichtbilder wies der klägerische PKW lediglich leichte Kontaktspuren an der Leichtmetallfelge des linken Vorderrads auf, die sich dem Unfall zuordnen lassen. Typische Anprallspuren, die auf einen anderweitigen Bordsteinkontakt zurückzuführen sind, liegen hingegen nicht erkennbar vor.
(...)
Das Unfallgeschehen, namentlich der Anstoß am linken Vorderrad, lässt sich jedoch schlüssig mit dem Schadenbild vereinbaren. Ein absoluter Grad an Gewissheit und der Ausschluss jeder anderweitigen Möglichkeit bedarf es für die Überzeugungsbildung des Gerichts ohnehin nicht.
Der geschädigte Kläger braucht sich auch nicht auf die bereits erfolgreiche Wiederherstellung der Soll-Werte des Herstellers verweisen lassen. Denn unabhängig von diesem Umstand bleibt problematisch, dass mit dem Unfall auf die Beaufschlagung der Spurstange / Lenkung Kräfte gewirkt haben, für welche die Bauteile nicht ausgelegt sind und sich leichte Haarrisse letztlich nicht ausschließen lassen. Aus Sicherheitsgründen kann der Geschädigte deshalb in diesem Fall nicht auf die reine Neueinstellung verwiesen werden. Vielmehr kann er die Erneuerung der sicherheitsrelevanten Teile der Achsenaufhängung und des Lenkgetriebes - wie bereits vom vorgerichtlichen Sachverständigen M. festgestellt - verlangen.“
Der Kläger kann zudem die Erneuerung der vorderen linken Felge verlangen. Auch hier ist die Erneuerung aus Sicherheitsgründen der Instandsetzung und Lackierung vorzuziehen.