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Aktivlegitimation des Unfallgeschädigten und Relevanz von Altschäden bei der Bestimmung der Schadenhöhe

LG Berlin, Beschluss vom 22.08.2019, AZ: 54 S 33/19

Praxis

Für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg beimisst, kann es einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erlassen. Damit wird dem Berufungsführer die Gelegenheit gegeben, das Rechtsmittel zurückzunehmen, um Kosten zu sparen. Einen solchen Hinweisbeschluss hat hier das LG Berlin erlassen.

Häufig verkannt wird in der Praxis, dass grundsätzlich Inhaber von Schadenersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall derjenige ist, der Eigentümer des verunfallten Fahrzeugs ist. Dies ist nicht zwingend derjenige, auf welchen das Fahrzeug zugelassen wurde. Der Zulassungsinhaber ist wiederum vom Halter zu unterscheiden. Selbst Angaben im Fahrzeugbrief lassen keine zwingenden Rückschlüsse auf die Eigentümerschaft einer bestimmten Person zu. Eigentümer eines Fahrzeugs ist letztendlich regelmäßig derjenige, welcher das Fahrzeug auf eigene Rechnung erwarb, bezahlte und über das Fahrzeug die rechtliche Sachherrschaft ausübt.

Des Weiteren setzt sich das LG Berlin mit der Maßgeblichkeit von sogenannten Altschäden für die Schadenbestimmung auseinander. Im konkreten Fall waren diese klar von den unfallbedingt eingetretenen Schäden abgrenzbar. Demgemäß hatten diese Altschäden keinen Einfluss auf die Höhe des Unfallschadens.

Dies gilt allerdings nur bei einer klaren technischen und rechnerischen Abgrenzbarkeit dieser Alt-/Vorschäden. Ist der Neuschaden vom Altschaden nicht entsprechend abgrenzbar, kommt es zunächst darauf an, ob nachgewiesen werden kann, dass der Altschaden vollständig sowie sach- und fachgerecht repariert wurde.

Zuletzt entschied hier der BGH per Beschluss vom 15.10.2019 (AZ: VI ZR 377/18). Der Geschädigte sei grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Das Gericht muss dann diesem Beweisantrag nachgehen. Eine Abweisung der Klage lediglich unter Verweis auf diesen nicht abklärbaren Vorschaden kommt nicht mehr in Betracht.

Übrigens muss es sich bei einem überlappenden Altschaden nicht um einen Schaden im rechtlichen Sinne handeln. Hierzu gehört auch Verschleiß bzw. reguläre Alterung des betroffenen Fahrzeugteils.

Liegt ein Altschaden vor, welcher kompatibel ist, so kommt es darauf an, ob sich durch den erneuten Unfall der Schaden vertieft hat. Ist dies nicht der Fall, so kann im ungünstigsten Fall ein Anspruch des Unfallgeschädigten aus dem zweiten Unfall gänzlich entfallen. Ausführungen zu Alt- und Vorschäden gehören auf jeden Fall in jedes Sachverständigengutachten.
Bei Zweifeln ist versierter anwaltlicher Rat dringend anzuraten.

Hintergrund

Der Kläger machte zunächst vor dem AG Berlin-Mitte (Urteil vom 31.01.2019, AZ: 10 C 3030/18) Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Verklagt war die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung, deren Eintrittspflichtigkeit dem Grunde nach feststand.

Diese berief sich allerdings vorgerichtlich offensichtlich auf am Fahrzeug vorhandene Altschäden (unreparierte Vorschäden). Diese Altschäden seien bei der Bestimmung der Schadenhöhe unberücksichtigt geblieben.

Prozessual wandte die Beklagte ein, der Kläger nicht habe nachgewiesen, dass er Eigentümer des verunfallten Fahrzeugs war. Es fehle also an seiner Aktivlegitimation (Sachbefugnis) für die Klage.

Aussage

Zur Aktivlegitimation führte das LG Berlin in seinem vorliegenden Hinweisbeschluss aus, dass diese seitens des Klägers dadurch im Prozess ausreichend nachgewiesen worden war, dass der Kaufvertrag, aus welchem sich ergab, dass dem Kläger am 31.07.2016 das Kraftfahrzeug mit zwei Schlüssel sowie der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II übergeben worden war, vorgelegt worden war.

Damit sei hinreichend zu den Umständen des Eigentumsübergangs an dem Fahrzeug vorgetragen worden. Dass der Kläger in den Zulassungspapieren nicht als Halter eingetragen war, sei unschädlich. Die Eintragung als Halter weise den Inhaber der Zulassungsbescheinigungen gerade nicht als Eigentümer des Fahrzeuges aus. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Verkäufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht als Halter eingetragen war. Für diesen greife wiederum die Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 BGB, da er in der Lage gewesen wäre, dem Kläger den unmittelbaren Besitz am Fahrzeug zu verschaffen und die entsprechenden Zulassungspapiere sowie die Fahrzeugschlüssel zu übergeben.

Bezüglich der auf Beklagtenseite eingewandten Altschäden bestätigte das LG Berlin die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend, dass der festgestellte unreparierte Altschaden nicht in einem vom Unfall betroffenen Fahrzeugbereich gelegen habe. Hierzu führte das LG Berlin aus:

„Nach dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 02.11.2016 sollen sich am Fahrzeug des Klägers Altschäden am vorderen Stoßfänger, an der Frontblende sowie an der Heckklappe befinden. Zu dem Vorliegen von Vorschäden wurde im Gutachten explizit ausgeführt, dass solche bei der Begutachtung nicht augenscheinlich gewesen sind. Durch das Unfallereignis sollen ausweislich des Gutachtens Schäden an dem hinteren Stoßfänger, der linken Heckleuchte sowie der linken Seitenwand entstanden sein. Die unfallbedingten Schäden betreffen demnach nicht – auch nicht teilweise – den gleichen Bereich wie die Altschäden, insbesondere sind die Bauteile der vom Altschaden betroffenen Heckklappe und der vom unfallbedingte Schaden betroffenen Heckleuchte technisch abgrenzbar.“

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