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Brandschaden am Kfz – Anforderung an den Vortrag zu Vorschäden im Prozess

BGH, Beschluss vom 15.10.2019, AZ: VI ZR 377/18

Praxis

Es ist ja mittlerweile gängige Praxis der Versicherer, mit einem Fahrzeug erlittene und erstattete Unfallschäden anonymisiert in einer Datenbank abzuspeichern. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, welcher seine Schadenersatzansprüche gegenüber der unfallgegnerischen

Versicherung geltend macht, ist damit immer häufiger dem Einwand der Versicherung ausgesetzt, es hätte ein Vorschaden vorgelegen, welcher bei der Bestimmung des durch den Unfall entstandenen Fahrzeugschadens berücksichtigt hätte werden müssen. Dem Geschädigten wird dann auferlegt, nachzuweisen, dass dieser Vorschaden sach- und fachgerecht repariert wurde.

Hat der Geschädigte zum Beispiel das verunfallte Fahrzeug vorher erworben und wurde ihm bei dem Kauf überhaupt nicht eröffnet, dass an dem Fahrzeug bereits ein Vorschaden entstanden war, kann er hier in Beweisschwierigkeiten geraten.

Der BGH stärkt hier die Rechte des Geschädigten, welcher nicht im Einzelnen vortragen muss, welcher Vorschaden wie repariert wurde. Benennt z.B. der Geschädigte Zeugen für die Behebung des Vorschadens, ohne diesen näher zu bezeichnen, so muss das Gericht diesem Zeugenbeweis nachgehen und darf ihn nicht als unzulässigen Ausforschungsbeweis ablehnen.

Dies verkannte im konkreten Fall sowohl das LG als auch das OLG Köln. Der Rechtsstreit wurde vor diesem Hintergrund zurückverwiesen und wird unter Berücksichtigung der Hinweise des BGH neu verhandelt.

Hintergrund

Der Kläger erwarb zusammen mit seiner Ehefrau am 19.09.2013 einen Maserati Quattroporte. Das Fahrzeug verbrachte er mit einem Überführungskennzeichen in eine Tiefgarage. Dort geriet am 24.12.2013 gegen 23:49 Uhr ein daneben geparkter VW-Bus in Brand. Deshalb brannte auch der Maserati in Folge vollständig aus. Ursache war wohl ein technischer Defekt am VW-Bus.

Der Kläger verlangte vom beklagten Haftpflichtversicherer zum VW die Erstattung des Verkehrswerts des Maserati in Höhe von 25.500,00 €. Der Verkehrswert habe dem von ihm bezahlten Kaufpreis entsprochen (ebenfalls 25.500,00 €).

Die Beklagte legte allerdings ein Sachverständigengutachten vom 17.07.2013 vor, aus welchem sich ergab, dass das Fahrzeug am 14.07.2013 einen Unfallschaden erlitten hatte. Der Sachverständige, welcher den Maserati in diesem Zusammenhang am 16.07.2013 besichtigte, stellte einen Wiederbeschaffungswert von 25.000,00 €, einen Restwert von 5.400,00 € sowie Reparaturkosten von 41.339,76 € (jeweils brutto) fest. Es lag also ein wirtschaftlicher Totalschaden vor.

Der Kläger forderte seinen Schadenersatz zunächst vor dem LG Köln (AZ: 2 O 372/16) und sodann in der Berufung vor dem OLG Köln (AZ: 18 U 148/17) und unterlag in beiden Instanzen. Auf die Berufung des Klägers hin erließ der BGH den entsprechenden Beschluss und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Aussage

Der BGH stellte fest, dass klägerseits im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend gemacht wurde, dass das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen den Kläger in entscheidungserheblicher Weise in seinem aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Das Berufungsgericht habe die an eine hinreichende Substantiierung des Klagevortrags zu stellenden Anforderungen überspannt und den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis zu Unrecht nicht erhoben.

Grundsätzlich ging der BGH allerdings davon aus, dass es Aufgabe des Klägers sei, die Voraussetzungen des Vorliegens eines Sachschadens zu beweisen. Dem Kläger komme hier zwar § 287 ZPO zugute (Beweiserleichterung beim Nachweis der Schadenhöhe). Diese Vorschrift erleichtere dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegung. Allerdings benötige der Tatrichter auch für die Schadenschätzung nach dieser Vorschrift greifbare Tatsachen. Zur Problematik eines vorhandenen Vorschadens stellte der BGH sodann fest:

„b) Soweit der Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und die beschädigte Sache in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann es ihm jedoch nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Er ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529, juris Rn. 7; Senatsurteil vom 10. Januar 1995 – VI ZR 31/94, NJW 1995, 1160, juris Rn. 17).“

Die Anforderungen an die Substantiierung des Sachvortrages hingen vom Kenntnisstand der Partei ab. Nur wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstelle, sei ein solches Vorgehen der Partei unzulässig.

Das Berufungsgericht hätte dem vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis zur Reparatur eventuell vorhandener Vorschäden nachgehen müssen. Nicht verlangt werden konnte vom Kläger, darzulegen, welche Reparaturmaßnahmen im Einzelnen unternommen worden waren.

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