Reparaturkosten innerhalb der 130% Grenze sind zu erstatten
LG Hechingen, Urteil vom 02.03.2020, AZ: 1 O 227/18
Praxis
Bleibt der Geschädigte entgegen der Schätzung des Sachverständigen, die anhand von Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgte, mit der sach- und fachgerechten Reparatur seines Fahrzeugs in einer freien Werkstatt innerhalb der 130 %- Grenze, kann er vom Schädiger die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten ersetzt verlangen.
Das LG Hechingen ist der Ansicht, dass maßgeblich für die Ermittlung, ob die angefallenen Kosten innerhalb dieser Grenze liegen, die tatsächlich angefallenen Kosten und die sach- und fachgerechte Reparatur sind und nicht diejenigen Kosten, die ein Sachverständiger zuvor in einem Gutachten zur Schadenbeseitigung prognostiziert hat.
Hintergrund
Die Parteien streiten um restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall, für den der beklagte Haftpflichtversicherer vollumfänglich eintrittspflichtig ist. Der Kläger nutzt sein Fahrzeug sowohl privat als auch gewerblich. Er ist vorsteuerabzugsberechtigt.
Nach dem Unfall beauftragte der Kläger einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Dieser kam in seinem Gutachten zu der Einschätzung, dass für die Reparatur des Fahrzeugs 26.117,88 € Reparaturkosten (ohne Mehrwertsteuer) anzusetzen seien, den Wiederbeschaffungsaufwand bezifferte er auf 17.350,00 €. Dem Gutachten lagen die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde.
Die Beklagte regulierte sodann auf die Reparaturkosten 14.576,89 € und auf die Nutzungsausfallentschädigung 322,14€.
Der Kläger ließ sein Fahrzeug im Folgenden in einer freien Werkstatt reparieren. Hierfür fielen Kosten in Höhe von 18.608,40 € netto an. Die Beklagte lehnte eine weitergehende Regulierung ab.
Der Kläger begehrt die Zahlung weiteren Schadenersatzes in Höhe von 5.184,37 € (4.031,51 € weitere Reparaturkosten, 1.152,86 € weitere Nutzungsausfallentschädigung).
Aussage
Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind vom Schädiger die Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich sind, das heißt vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Unter mehreren zum Schadenausgleich verfügbaren Möglichkeiten hat der Geschädigte dabei den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbeseitigung zu wählen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte, der nach einem Unfall sein Fahrzeug reparieren lässt und damit sein Interesse an dessen Erhalt bekundet, gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB vom Schädiger den zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrag verlangen, sofern sich die Reparaturkosten auf nicht mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswerts belaufen. Jedoch kann der Ersatz im Rahmen der 130 %-Grenze nur verlangt werden, wenn die Reparatur tatsächlich fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
„Nach Auffassung des Gerichts sind für die Bezifferung der Reparaturkosten im Ergebnis die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 22.144,00 € brutto maßgeblich die ins Verhältnis zu dem unstreitigen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 17.3500,00 € gesetzt, und unter der für die Zubilligung des Integritätszuschlags entscheidenden Grenze von 130 % liegen. Denn die 130 % Grenze wäre bei 22.555,00 € erreicht.“
Auf die vom Sachverständigen geschätzten Kosten in Höhe von 26.117,88 € netto kommt es indes nicht an. Ein vorgerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten hat im Rahmen der Schadenschätzung, die sich grundsätzlich an den Preisen der markengebundenen Fachwerkstatt zu orientieren hat, keine absolute Bedeutung für die Frage, welche Reparaturkosten tatsächlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähig sind.
Jedenfalls in den Fällen, in denen es dem Geschädigten gelingt, eine fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, ist dem Geschädigten eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht zu verwehren.
Voraussetzung für die Abrechnung innerhalb der 130 %-Grenze ist dabei, dass das Fahrzeug sach- und fachgerecht repariert wurde. Dies ist vorliegend der Fall.
Dem Kläger steht zudem eine weitere Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.152,86 € zu. Der Geschädigte hatte sowohl eine Nutzungsmöglichkeit als auch den -willen. Die Höhe des Anspruchs berechnet sich aus 25 Tagen zu je 59,00 €.