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Ermittlung des Nutzungsvorteils bei Rückabwicklung eines Finanzierungsleasingvertrags

OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2020, AZ: 17 U 2/19

Praxis

Das OLG Karlsruhe beschäftigte sich als Berufungsinstanz mit einem sogenannten Fall der Abgasproblematik. Der Kläger hatte ein mit einem EA 189 Motor ausgestattetes Fahrzeug erworben. Das OLG Karlsruhe ging von einer Schadenersatz auslösenden sittenwidrigen Schädigung des Herstellers aus. Die Klage richtete sich nicht gegen den Händler, sondern den Hersteller. Dies habe zur Folge, dass der Käufer den von ihm entrichteten Kaufpreis zurückverlangen könne – dies gestützt auf einen Schadenersatzanspruch analog §§ 826, 31 BGB. Der Käufer muss sich allerdings gezogene Nutzungsvorteile gegenrechnen lassen.

Bezüglich des Zeitraums nach dem Fahrzeugkauf bestimmte das OLG Karlsruhe – für den Käufer günstiger – den Nutzungsvorteil durch Ermittlung des linearen Wertverlusts des gekauften Fahrzeugs. Allerdings gelte dies nicht für den Leasingzeitraum. Hier entspreche der durch die Nutzung erhaltene Vorteil der Höhe der entrichteten Leasingraten, sodass keinerlei schadenersatzrechtlicher Rückzahlungsanspruch gegeben sei.

Hintergrund

Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem OLG Karlsruhe war ein sogenannter „Abgasfall“. Der Kläger leaste ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug. Der Leasingvertrag wurde am 12.04.2010 abgeschlossen. Der verleaste Pkw der Marke A., Typ 2.0 TDI, 125 kW war mit einem Motor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser beinhaltete in seiner Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung (sogenannte „Schummel-Software“).

Vereinbart war die Leistung einer einmaligen Sonderzahlung in Höhe von 13.268,75 € sowie dann monatliche Leasingraten von 869,00 € bei einer Laufzeit von 30 Monaten. Der Kläger erhielt das Fahrzeug am 13.09.2010 mit einem Kilometerstand von 0 km übergeben. Am 10.04.2013 gab der Kläger das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 75.000 km an die Leasinggeberin zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte er Zahlungen in Höhe von insgesamt 39.338,75 € erbracht. Noch am Tag der Rückgabe erwarb der Kläger das verleaste Fahrzeug von der Verkäuferin für 12.879,37 €.

Nach dem Bekanntwerden der Abgasproblematik im Herbst 2015 wurde für das streitgegenständliche Fahrzeug vom Kraftfahrtbundesamt die Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtungen verfügt. Der Kläger ließ das hierfür freigegebene Softwareupdate am 05.10.2017 aufspielen.

Im Februar 2018 erhob er Klage und forderte zuletzt Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte, die Rückzahlung von 51.636,33 €. Außerdem stellte er mehrere Feststellungsanträge u.a. im Hinblick auf mögliche zukünftige Schäden.

Das LG Mannheim (Urteil vom 26.11.2018, AZ: 15 O 198/18) verurteilte die Beklagte zur Bezahlung von 15.496,67 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw A. Beide Parteien gingen in Berufung. Das OLG Karlsruhe bestätigte grundsätzlich einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadenersatz aus sittenwidriger Schädigung. Die Entscheidung setzte sich ausführlicher mit der Erstattung von Nutzungsvorteilen bei einem Kfz-Finanzierungsleasing auseinander und ein Anspruch des Klägers auf diese Nutzungsvorteile wurde verneint.

Aussage

Das OLG Karlsruhe bestätigte grundsätzlich den Anspruch des Klägers aus den §§ 826,31 BGB analog, weil die Beklagte allein schon durch die zuvor von ihr getroffene unternehmerische Entscheidung, dass der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen ihrer Konzernunternehmen und damit auch in den vom Kläger erworbenen A. eingebaut werde und dieser sodann mit der erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr gebracht würde, sich sittenwidrig verhalten habe. Hierdurch sei dem Kläger auch kausal ein Schaden entstanden.

Das OLG Karlsruhe stellte hier auf den Fahrzeugkauf am 10.04.2013 ab – dies nach Ablauf des Leasingvertrages. Der Schaden des Käufers liege dann in der Belastung mit den ungewollten Verbindlichkeiten. Auf zusätzlich verursachte wirtschaftliche Nachteile komme es gar nicht an. Der Inhalt der Schadenersatzpflicht gemäß § 826 BGB bestimme sich nach § 249 ff. BGB, d.h. der Kläger sei so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag über das in Streit stehende Fahrzeug nicht geschlossen. Dem Kläger stehe also ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrages zu, was heißt, er könne Ausgleich der für diesen Vertrag getätigten Aufwendungen gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten verlangen. Demgemäß sah das OLG Karlsruhe einen Anspruch des Klägers auf Rückerstattung des entrichteten Kaufpreises von 12.879,37 € als gegeben an. Der Kläger müsse sich allerdings für die gefahrenen Kilometer einen Nutzungsvorteil in Höhe von 3.708,96 € anrechnen lassen (ausgehend von einer voraussichtlichen Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 250.000 km und nach dem Kauf zurückgelegte 27.396 km).

Allerdings sah das OLG Karlsruhe auf Klägerseite keinen Anspruch auf Rückzahlung der an die Leasinggeberin entrichteten Leasingraten gegenüber der Beklagten. Hier errechnete das OLG Karlsruhe nämlich den Nutzungsvorteil, welchen der Kläger hatte, anders. Der Kläger müsse sich wegen der Nutzung des Fahrzeugs nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die gezogenen Nutzungsvorteile anrechnen lassen. Beim mietvertragsähnlichen Leasingvertrag seien diese genauso hoch, wie die vom Kläger an die Leasinggeberin erbrachten Zahlungen.

In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu:

„α) Entgegen der Ansicht des Klägers berechnen sich die anzurechnenden Nutzungsvorteile bei einem Leasingvertrag – anders als bei einem Kaufvertrag – nicht nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung, also nach einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichtigung des Werts der Sache oder des Kaufpreises. Bei der Bemessung der durch die Rückabwicklung eines Kaufvertrages ersparten Aufwendungen muss nämlich auf die hypothetische Situation abgestellt werden, dass der Käufer anderweitig eine gleichartige und gleichwertige Sache angeschafft und diese für dieselbe Zeitspanne in derselben Weise genutzt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2006 – V ZR 51/05 –, juris Rn. 13 mwN). Da er in diesem Fall die anderweitig erworbene und in seinem Eigentum verbleibende Sache abgenutzt hätte, hat er infolge der Rückabwicklung des Kaufvertrages diese Abnutzung erspart, weshalb es gerechtfertigt ist, den Gebrauchsvorteil nach der Wertminderung zu berechnen, die die Sache durch die Abnutzung erfahren hat (BGH, aaO).

β) Anders liegt der Fall aber bei der Bemessung von Gebrauchsvorteilen einer gemieteten Sache. Bei vermietbaren beweglichen Sachen wie Kraftfahrzeugen stellen sich Kauf und Miete in wirtschaftlicher Hinsicht als grundverschiedene Investitionsentscheidungen dar (BGH, Urteil vom 31. März 2006 – V ZR 51/05 –, juris Rn. 13). Denn der Mietpreis enthält – anders als der Kaufpreis – einen hohen Anteil nicht unmittelbar gebrauchsbezogener Kosten (BGH, aaO). Deshalb bemisst sich die Höhe des Wertersatzes für Gebrauchsvorteile einer gemieteten Sache nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach deren objektiven Mietwert, also dem für das genutzte oder für ein vergleichbares Objekt üblichen Mietzins (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1997 – XII ZR 142/95 –, juris Rn. 19 mwN; Urteil vom 31. März 2006, aaO, Rn. 11 mwN).

γ) Bei dem hier vorliegenden Finanzierungsleasingvertrag (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. März 1989 – VIII ZR 155/88 –, juris Rn. 21; Urteil vom 11. März 1998 – VIII ZR 205/97, juris Rn. 25 ff. mwN) handelt es sich um ein mietähnliches Dauerschuldverhältnis, weshalb es gerechtfertigt ist, die wegen der Nutzung des Fahrzeugs anzurechnenden Gebrauchsvorteile wie im Fall einer gemieteten Sache zu errechnen. Hierfür spricht auch, dass sich die von einem Leasingnehmer im Fall der Vorenthaltung der Leasingsache nach Vertragsbeendigung zu erbringende Nutzungsentschädigung gemäß § 546 a BGB der Höhe nach (ebenfalls) nach den vereinbarten Leasingraten richtet (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1989 – VIII ZR 155/88 –, juris Rn. 20 mwN zu der Vorgängervorschrift des § 557 BGB; BeckOGK/Ziemßen, Stand: 1.10.2019, § 535 BGB, Rn. 1075 mwN).

δ) Damit bemisst sich die Höhe des von dem Kläger zu leistenden Wertersatzes für die gezogenen Nutzungsvorteile nach dem objektiven Leasingwert, also den für das genutzte oder für ein vergleichbares Fahrzeug üblichen Leasinggebühren. Mangels anderer Anhaltspunkte ist von der Marktüblichkeit der von dem Kläger und der Leasinggeberin für die 30-monatige Vertragslaufzeit vereinbarten Leasinggebühren in Höhe von insgesamt 39.338,75 EUR auszugehen. Gegenteiliges trägt der hierauf hingewiesene Kläger (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2019, dort S. 2 = II 113) nicht vor. Einen pauschalen Abschlag wegen des bloßen Vorhandenseins der – zum damaligen Zeitpunkt sowohl dem KBA als auch der Öffentlichkeit unbekannten – Abschalteinrichtung ist nicht gerechtfertigt. Denn diese hatte für den Kläger während der Gebrauchsdauer keine Einschränkung der Nutzbarkeit des Fahrzeugs zur Folge.“

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