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Geschädigter darf auf Restwertermittlung vertrauen

AG Bad Hersfeld, Urteil vom 04.12.2019, AZ: 10 C 606/19

Praxis

Sofern der Restwert von einem Sachverständigen ordnungsgemäß – also aus mindestens drei Restwertangeboten – ermittelt wurde, darf sich ein Geschädigter auf diese Ermittlung verlassen und sein Fahrzeug zu dem ermittelten Preis veräußern. Dabei muss er den Haftpflichtversicherer des Schädigers auch nicht darauf hinweisen, dass er sein Fahrzeug veräußern wird, sondern darf dies in Eigenregie vornehmen.

Hintergrund

Die Parteien streiten um die Erstattung restlichen Schadenersatzes nach einem Verkehrsunfall, für den die beklagte Haftpflichtversicherung vollumfänglich einstandspflichtig ist.

Die Klägerin holte nach dem Unfall ein Schadengutachten ein. Der Sachverständige stellte unfallbedingte Reparaturkosten in Höhe von 13.981,80 € brutto, einen Wiederbeschaffungswert von 21.000,00 € brutto sowie einen Restwert in Höhe von 10.520,00 € brutto fest. Hinsichtlich des Restwertes waren vom Gutachter zwei regionale Restwertangebote über maximal 10.000,00 € und mittels Restwertbörsenanfrage ein Höchstgebot von 10.520,00 € festgestellt worden. Das Gutachten wurde am 26.02.2019 erstellt.

Die Klägerin hat den Unfallschaden durch Ersatzbeschaffung behoben. Außergerichtlich machte sie einen Gesamtschaden von 13.171,95 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € brutto geltend. Der beklagte Haftpflichtversicherer regulierte hierauf 11.141,95 € sowie Rechtsanwaltskosten von 958,19 €.

Die Klägerin behauptet, dass sie nach Mitteilung des Restwertes von 10.520,00 € das Fahrzeug zu diesem Preis am 25.02.2019 verkauft und sodann von selbiger Firma, die den Wagen angekauft hat, einen Ersatzwagen bestellt hat.

Die Beklagte bestreitet den Verkauf des Unfallfahrzeugs am 25.02.2019 und vermutet, dass der Verkaufsvertrag vordatiert wurde, um die Beklagte zu schädigen. Der Restwert sei vielmehr gemäß den eingeholten Restwertangeboten der Beklagten vom 28.02.2019 mit 12.550,00 € zu bemessen.

Aussage

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung weiteren Schadenersatzes in Höhe von 2.030,00 € aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. 115 VVG. Gemäß § 249 BGB ist derjenige Schaden zu ersetzen, welcher zur Schadenbehebung angemessen und erforderlich ist. Demnach kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachtet. Allerdings ist dabei auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Rücksicht zu nehmen, der Schaden ist also subjektbezogen zu betrachten.

„Der Geschädigte ist hierbei nicht verpflichtet, den Schädiger auf die Absicht des Verkaufs des Unfallwagen zum vom Sachverständigen ermittelten Restwert hinzuweisen, vielmehr ist es das Recht des Geschädigten die Schadenregulierung in Eigenregie vorzunehmen .... Insbesondere ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer eigenen Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, sondern berechtigt das Unfallfahrzeug nach dem im Gutachten nachvollziehbar ermittelten Wert zu veräußern. Nachvollziehbar ist ein solcher Wert für den Geschädigten, wenn er aus mehreren Restwertangeboten – mindestens drei – ermittelt worden ist. Unter Berücksichtigung dessen durfte die Klägerin das Unfallfahrzeug zum Restwert von 10.520 € veräußern, weil der Restwert – ex ante – nachvollziehbar ermittelt worden ist. [...]

Zwar war ihr selbst im Zeitpunkt der Veräußerung am 25.02.2019 die Grundlage des Restwertangebots noch nicht bekannt, weil das Gutachten erst am 26.02.2019 verschriftlicht worden ist, doch führt dies nicht dazu, dass sie sich auf den ordnungsgemäß ermittelten Restwert des Schadengutachtens im Sinne einer Schadenminderungspflicht nicht verlassen durfte.[...]

Es ergeben sich entgegen der Auffassung der Beklagten keine vernünftigen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Vertragsurkunde über den Verkauf des Unfallwagens, insbesondere weil eine strafrechtlich relevante Vordatierung vor das Erstellungsdatum des Gutachtens auf den 25.02.2019 weder für die Klägerin noch für den ankaufenden Betrieb wirtschaftlich überhaupt Sinn ergibt.“

Die Beklagte hat zudem einen höheren Restwert erst am 28.02.2019, also drei Tage nach dem Verkauf des Fahrzeugs ermittelt.

Telefon 0800 500 50 25

 
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