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Haftung der Sachverständigen für angebliche Fehler bei der Kfz-Bewertung vor Gebrauchtwagenkauf

LG Amberg, Urteil vom 20.02.2020, AZ: 24 O 420/18

Praxis

Für einen Gebrauchtwagencheck in Höhe von 75,00 € riskierte hier die Beklagte die Verurteilung wegen Schadenersatz, wobei 15.000,00 € auf Klägerseite eingeklagt wurden. Das Gericht entschied richtig und klärte den Sachverhalt sorgfältig auf. Es ist allerdings bekannt, dass eine solche sorgfältige Sachverhaltsaufklärung nicht zwingend ist. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass ein anderes Gericht eine Pflichtverletzung angenommen hätte. In der Praxis ist demnach dem jeweiligen Sachverständigenbüro, welches einen entsprechenden Gebrauchtwagencheck durchführt, dringend dazu anzuraten, den Auftragsumfang genau zu bezeichnen und zu dokumentieren. Von diesem Auftrag sollte dann auch nicht unnötigerweise abgewichen werden und Zusatzaussagen in Gutachten getroffen werden, für welche man dann unter Umständen später haftet.

Hintergrund

Gegenstand der Klage vor dem LG Amberg war ein Gebrauchtwagenkauf des Klägers. Vor dem Erwerb eines Range Rover Evoque mit Dieselmotor von einem privaten Verkäufer vereinbarte der Kläger am 24.02.2016 einen Termin bei der Beklagten zur Vorstellung des Fahrzeugs. Bei der Beklagten handelte es sich um ein Sachverständigenbüro.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, das Fahrzeug sei in Ordnung und der Kaufpreis angemessen. Hierauf unterschrieb der Kläger noch auf dem Gelände des Sachverständigenbüros den Kaufvertrag und entrichtete den Kaufpreis von 33.800,00 € in bar an den Verkäufer. Den Range Rover nahm er mit.

Die schriftliche Ausarbeitung der Fahrzeuguntersuchung erhielt der Kläger am nächsten Tag. Hierfür berechnete die Beklagte dem Kläger 75,00 € brutto. Feststand weiterhin, dass der Bordcomputer des Range Rover eine Funktion hatte, mit welche die Fahrzeugidentifizierungsnummer aufgerufen werden konnte. Die dort angezeigte Nummer wich von der seitens der Beklagten im Schreiben angegebenen Nummer ab.

Als der Kläger nach Fahrzeugübergabe am 01.03.2016 die Zulassungsstelle aufsuchte, wurde festgestellt, dass die FIN nicht mit dem Fahrzeug übereinstimme. Sie bezog sich auf ein Fabrikat Range Rover Evoque Si4 Pure. Das gekaufte Fahrzeug war ein Range Rover Evoque Dynamik. Dessen FIN entsprach derjenigen, welche der Bordcomputer anzeigte und stimmte nicht mit der FIN der Fahrzeugpapiere überein.

Es stellte sich heraus, dass der Range Rover in der Nacht vom 13.09.2014 auf den 14.09.2014 in Tschechien der dortigen Eigentümerin gestohlen worden war. Deshalb musste sich der Kläger mit der tschechischen Kfz-Versicherung zum gestohlenen Fahrzeug in einem Prozess vor dem LG München II (AZ: 1 O 34688/16) auseinandersetzen. Das Verfahren endete mittels Vergleiches und der Kläger verpflichtete sich, an die Versicherung einen Betrag in Höhe von 7.500,00 € zu bezahlen - dies Zug um Zug gegen eine Übertragung des Eigentums am Fahrzeug. Außerdem fielen 2.088,80 € an Anwalts- und Gerichtskosten an, welche beim Kläger verblieben.

Des Weiteren ging es um sonstige Schäden in Form von Nutzungsausfall, Wertverlust und sonstigen Aufwendungen für das im Zeitraum des Prozesses nicht nutzbare Fahrzeug.

Insgesamt forderte der Kläger vor dem LG Amberg gegenüber dem beklagten Sachverständigenbüro 15.000,00 € Schadenersatz wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten ein. Das LG Amberg wies die Klage nach sorgfältig durchgeführter Beweisaufnahme unter Hinzuziehung eines Sachverständigen vollumfänglich ab.

Aussage

Das LG Amberg verneinte einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Die Beklagte habe ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag ordnungsgemäß erfüllt.

Vereinbart worden sei zwischen den Parteien lediglich eine Fahrzeugbesichtigung im Sinne eines sogenannten Gebrauchtwagenchecks. Auch aus nebenvertraglichen Sorgfaltspflichten heraus sei der Sachverständige auf Beklagtenseite nicht dazu angehalten gewesen, Hinweise auf Unstimmigkeiten zu geben, da es vorliegend für den Sachverständigen der Beklagten keine objektiven Anhaltspunkte gegeben habe, welche auf einen möglichen Diebstahl des Fahrzeugs schließen hätten lassen.

Der Kläger kam mittels einer Liste des ADAC im Internet an die Beklagte, in welcher Betriebe aufgeführt wurden, welche derartige Gebrauchtwagenchecks durchführen. Der Kläger selbst gab vor Gericht an, er habe gegenüber der Beklagten mitgeteilt, er benötige eine Experteneinschätzung ob das Auto was sei oder nicht. Ihm sei gesagt worden, man könne Getriebe und Motor nicht begutachten – es handle sich um eine optische Begutachtung. Er habe hierauf erwidert, er wolle keine „Black Box“ kaufen.

Sodann schilderte der Kläger die Untersuchung des Fahrzeugs, welche ca. eine Stunde in Anspruch nahm. Nachdem er auf die optischen Mängel hingewiesen wurde, teilte der Kläger mit, damit könne er leben und erwarb das Fahrzeug.

Am nächsten Tag habe er das Gutachten per Mail bekommen und dann seien ihm kleinere Abweichungen aufgefallen. Aufgefallen sei ihm dann auch, dass von einem Benziner die Rede war und nicht von einem Diesel. Die FIN des Fahrzeugscheins war mit derjenigen im Motorraum identisch, nicht allerdings mit derjenigen des Bordcomputers. Einvernommen wurde auch die Ehefrau des Klägers als Zeugin.

Als weiterer Zeuge wurde der Mitarbeiter der Beklagten, welcher die Fahrzeuguntersuchung durchgeführt hatte, einvernommen. Dieser bestätigte ebenfalls, dass ein Gebrauchtwagencheck vereinbart worden war. Untersucht werde hierbei auf Mängel (d. h. auf überdurchschnittlichen Verschleiß) und es werde eine Sichtprüfung vorgenommen. Eine Prüfung der FIN habe allerdings nicht stattgefunden.

Allerdings habe er die Fahrgestellnummer aus dem Motorraum und aus dem Sichtfeld der Windschutzscheibe abgelesen und mit derjenigen in der Zulassungsbescheinigung des Verkäufers verglichen. Hier sei nichts aufgefallen. Im Fahrzeugschein habe auch gestanden, dass es sich um einen Diesel handle. Auch im Serviceheft sei die FIN enthalten gewesen. Den Bordcomputer habe er nur deshalb angemacht, um den Kilometerstand abzulesen. Die FIN wäre allerdings erst über das Menü abrufbar gewesen, wobei dies nicht bei jedem Hersteller gewährleistet ist.

Sodann wurde der vom Gericht bestellte Sachverständige seitens des Gerichts angehört. Dieser stellte fest, dass die Beklagte die Fahrzeugdaten anhand des Systems Audatex ermittelt hatte. Hier hatte die Klägerseite einen Ausdruck vorgelegt, welcher bezogen auf die FIN, wie sie im Gebrauchtwagencheck wiedergegeben war, einen Benziner auswies. Das veräußerte Fahrzeug war allerdings ein Diesel. Der Sachverständige wiederum hatte sich einen Ausdruck zu den Fahrzeugdaten des Systems Audatex geholt, in welchem bezogen auf die FIN laut Gebrauchtwagencheck ein Diesel angegeben war.

Der Sachverständige meinte hierzu, dies sei eine bekannte Schwäche des Systems Audatex, gerade auch bei Range Rover- und Jaguar-Fahrzeugen. Hier sei die Datenbank schlicht und einfach nicht verlässlich und sie könne nicht dazu herangezogen werden, eine Fahrzeugausstattung mit der tatsächlich vorhandenen zu vergleichen. Es sei allerdings auch nicht die Aufgabe eines Sachverständigen, über detaillierte Fahrzeugbezeichnungen Bescheid zu wissen.

Die Durchführung der Gebrauchtwagenüberprüfung durch die Beklagte erfolgte nach der Ansicht des vom Gericht bestellten Sachverständigen, nachdem es sich um eine reine Sichtprüfung handlee, beanstandungsfrei. Der Sachverständige sei regelgerecht vorgegangen. Er habe durchaus eine Prüfung der FIN vorgenommen. Er habe sie einerseits am Fahrzeug abgelesen (Typenschild) und mit der Bezeichnung in der Windschutzscheibe verglichen und ebenfalls mit den Angaben in der Zulassungsbescheinigung. Nachdem alle FIN-Nummern übereinstimmten, habe es keinerlei Grund gegeben, weiterführende Untersuchungen vorzunehmen. Ein Überprüfen der FIN im Bordcomputer sei als absolut unüblich zu bezeichnen. Auch sei es einem Sachverständigen nicht möglich, auf die Datenbank des KBA zuzugreifen.

Somit ging das Gericht davon aus, dass die Beklagte bei der Erstellung des Gebrauchtwagenchecks keine Fehler gemacht hatte, für welche sie haftete.

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