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Unzulässige Abschalteinrichtung als Mangel und Verkürzung der Sachmängelhaftung vor dem Hintergrund der EuGH Rechtsprechung

LG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2019, AZ: 19 O 166/18

Praxis

Im vorliegenden Fall betonte das LG Stuttgart die Unterschiede zu den bekannten Streitfällen gegen VW bzw. der entsprechenden Hersteller aus den verbauten sogenannten EA189 Motoren. Anders als in diesen Fällen müsse bei der Behauptung, in einem Motor sei eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sogenannten Thermofensters verbaut worden, substantiiert und auf den konkreten Fall bezogen vorgetragen werden. Erfolgt dies nicht, wird insbesondere nicht fallbezogen dargelegt, dass gerade das streitgegenständliche Fahrzeug einen Motor mit dieser unzulässigen Abschalteinrichtung aufweist, so ist der Vortrag der Klägerseite unsubstantiiert und damit unzureichend.

Interessant ist auch die Aussage des Gerichts zur Problematik der Verjährungsverkürzung. Nach deutschem Recht ist diese bei gebrauchten Sachen ohne Weiteres zulässig. Nach dem oben zitierten Urteil des EuGH ist dies zwar europarechtswidrig. Dies wirkt sich allerdings erst dann aus, wenn der deutsche Gesetzgeber reagiert und die nationale Regelung abändert. Dies ist bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht erfolgt. Die weitere Entwicklung bleibt hier allerdings abzuwarten.

Hintergrund

Die Klagepartei erwarb von der Beklagten (Händlerin und Herstellerin des Fahrzeugs) am 28.02.2017 einen Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 32.650,00 €. Die Übergabe erfolgte am 03.03.2017. Beklagtenseits wurden die Gebrauchtfahrzeugverkaufsbedingungen verwendet. Darin hieß es:

„1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes...
...

2. Die Verjährungsverkürzung in Ziffer 1 Satz 1 sowie der Ausschluss der Sachmängelhaftung in Ziffer 1 Satz 2 und 3 gelten nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers, seines gesetzlichen Vertreters oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.“

Die Beklagte war auch Herstellerin des erworbenen Fahrzeugs mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651, Schadstoffklasse Euro 6. Per anwaltlichem Schreiben vom 09.08.2018 erklärte die Klagepartei den Rücktritt vom Kaufvertrag und berief sich auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen. Diese würden die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringern. Klägerseits wurde zur Rückabwicklung bis 27.08.2018 aufgefordert, was vonseiten der Beklagten per Schreiben vom 29.08.2018 abgelehnt wurde.

Hierauf wurde Klage erhoben. Diese blieb erfolglos.

Aussage

Im Wesentlichen kam das LG Stuttgart zu dem Ergebnis, dass der Klägerseite keine deliktischen Ansprüche zur Seite stünden. Hierbei setzte sich das Gericht ausführlich damit auseinander, ob dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Mangel deshalb anhafte, weil eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verbaut worden war.

Diesbezüglich betrachtete das LG Stuttgart in Übereinstimmung mit der oberinstanzlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu u.a. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, AZ: 10 U 134/19; Beschluss vom 04.07.2019, AZ: 14 U 95/19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2018, AZ: 20 U 95/18; OLG Köln, Beschluss, vom 07.03.2019, AZ: 3 U 148/18; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.02.2019, AZ: 2 U 156/18; OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019, AZ: 7 U 263/18; LG Stuttgart, Urteil vom 25.07.2019, AZ: 30 O 34/19; Urteil vom 06.08.2019, AZ: 19 O 198/19; Urteil vom 13.08.2019, AZ: 19 O 30/19; Urteil vom 17.05.2019, AZ: 3 O 348/18; Urteil vom 09.05.2019, AZ: 3 O 356/18; Urteil vom 16.05.2019, AZ: 6 O 203/18; Urteil vom 23.05.2019, AZ: 9 O 341/18; Urteil vom 28.03.2019, AZ: 22 O 238/18; Urteil vom 25.07.2019, AZ: 30 O 34/19) den klägerischen Vortrag bereits nicht als ausreichend, um auf dieser Basis Beweis zu erheben. Wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstelle, so sei dies unzulässig.

Im konkreten Fall war das LG Stuttgart der Ansicht, die Ausführungen der Klagepartei hätten jeden greifbaren Anhaltspunkt dafür vermissen lassen, dass sich die – mehrfach vorgetragene – Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstanderkennung überhaupt im streitgegenständlichen Fahrzeug befinden könnte. Das Fahrzeug sei unstreitig nicht von einem der vom KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) gegenüber der Beklagten ergangenen Rückrufbescheide betroffen. Es gäbe zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Feststellungen des KBA.

Zwar habe klägerseits teils umfangreicher und technisch in Teilen durchaus detaillierter Vortrag vorgelegen. Es habe aber der Bezug zum konkreten Streitgegenstand gefehlt. Die dahingehenden bloßen Behauptungen der Klagepartei hielt das Gericht für nicht ausreichend.

Anders als bei den Fällen des sogenannten EA189 Dieselmotors, bei welchem möglicherweise angenommen werden könnte, dass alle Motoren dieses Typs über eine Prüfstanderkennung und Abschalteinrichtung verfügten, gäbe es im konkreten Fall jedoch keine sachlichen Hinweise und auch keinen tragfähigen Vortrag der Klagepartei.

Weiterhin stellte das LG Stuttgart fest, dass der Kaufvertrag nicht gemäß § 134 BGB nichtig war. Außerdem bestand auf Klägerseite auch kein Anspruch aus Anfechtung.

Ein Anspruch der Klagepartei auf Nacherfüllung sei jedenfalls verjährt. Die in den Verkaufsbedingungen hierzu getroffene Regelung sei aufgrund Europarechtswidrigkeit nicht unwirksam. Nach deutschem Recht sei gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB bei gebrauchten Sachen eine Verkürzung der zweijährigen Verjährungsfrist auf ein Jahr möglich. Dies widerspreche auch nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13.07.2017, AZ: C-133/16) den Vorgaben der Richtlinie 2011/83/EU wie auch weiterer Richtlinien. Dieser Umstand sei allerdings bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ohne Auswirkungen auf die lex lata. Auch komme eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung nicht in Betracht.

Auch weitere Anspruchsgrundlagen wie z. B. Schadensersatz aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes bzw. wegen sittenwidriger Schädigung sah das LG Stuttgart als nicht gegeben an. Die Klage wurde vor diesem Hintergrund vollumfänglich abgewiesen.

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