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Zur Restwertermittlung auf dem regionalen Markt und der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Notreparatur

LG Saarbrücken, Urteil vom 22.02.2019, AZ: 13 S 146/18

Praxis

Nach herrschender BGH-Rechtsprechung ist der Geschädigte weder verpflichtet, über die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen, noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

Hintergrund

Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte vollumfänglich einstandspflichtig ist. Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug nach dem Unfall von einem Sachverständigen begutachten. Das Gutachten vom 19.12.2016 wies einen mit 2,4% differenzbesteuerten Wiederbeschaffungswert von 5.400,00 € und – unter Zugrundelegung von Angeboten drei ortsansässiger Autohäuser – einen Restwert von 200,00 € aus. Vom 14.12.2016 bis 16.12.2016 ließ die Klägerin ihr Fahrzeug notdürftig reparieren, am 22.12.2016 verkaufte sie es an das Autohaus und erwarb dort ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 11.140,00 €. Dabei leistete sie eine Anzahlung von 8.540,00 €.

Ausgehend von einem Wiederbeschaffungswert von 5.286,29 € und einem Restwert von 2.350,00 € zahlte die Beklagte am 24.01.2017 einen Betrag von 2.918,29 € an die Klägerin. Weiterhin regulierte die Beklagte 60,00 € für die An- und Abmeldung der Fahrzeuge.

Am 16.02.2017 nahm die Klägerin einen Kredit über 2.565,62 € mit Zinskosten in Höhe von 676,57 € auf und ließ das Ersatzfahrzeug zu. Die Klägerin begehrt restlichen Schadenersatz (2.150,00 € Kfz-Schaden, 458,15 € Notreparatur, 90,00 € Ummeldekosten, 676,57 € Darlehenszinsen) und Freistellung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Erstinstanzlich hatte die Klägerin überwiegend Erfolg mit ihrer Klage.

Aussage

In der Berufungsinstanz kam das LG Saarbrücken zu dem Ergebnis, dass das Erstgericht zutreffend davon ausging, dass die Klägerin den Schaden an ihrem Fahrzeug auf Totalschadenbasis abrechnen konnte. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist der Netto- Wiederbeschaffungswert – entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen – mit 5.273,55 € anzusetzen. Zu Recht hat die Erstrichterin auch den vom Sachverständigen ermittelten und im Rahmen des Verkaufs erzielten Restwert mit 200,00 € zugrunde gelegt, so das LG Saarbrücken.

„Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen, wobei er das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten hat. [...] Der Geschädigte ist weder verpflichtet, über die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen, noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen. [...]

Anders als die Berufung meint, weisen die seitens des Sachverständigen am Wohnort der Klägerin ermittelten drei Angebote eine hinreichende Zugehörigkeit zum regionalen Markt [...] auf, auch wenn sie sich auf ortsansässige Unternehmen beschränken. Eine Verpflichtung auch Angebote von Autohändlern einzuholen, die außerhalb des Ortes ihren Sitz in der Region haben, besteht für den Sachverständigen nicht. [...] Da überdies der regionale Raum begrifflich situationsabhängig sehr unterschiedlich ausfallen kann, lässt sich eine Pflicht zur Ausdehnung der angefragten Unternehmen auf den gesamten regionalen Raum nicht rechtfertigen. Insoweit vermag die Kammer dem von Beklagtenseite zur Begründung ihrer Gegenauffassung herangezogenen Urteil des Landgerichts Heidelberg (v. 18.03.2008 – 4 S 12/07) nicht zu folgen. Gleiches gilt für den Vorschlag, eine Wertermittlung innerhalb von Landkreisen zu fordern, da dieser bereits in Ballungsräumen und kreisfreien Städten an seine Grenzen stößt.

Zu Recht ist die Erstrichterin vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass die Klägerin sich auf die Restwertermittlung des Sachverständigen verlassen durfte.“

Auch die Kosten für die Notreparatur sind zu erstatten. Diese durfte ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten für notwendig und erforderlich halten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war das Fahrzeug der Klägerin nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher, konnte jedoch mit einem geringen Aufwand von 1 bis 2 Arbeitsstunden provisorisch wieder in einen verkehrssicheren Zustand versetzt werden. Angesichts der vom Sachverständigen kalkulierten Wiederbeschaffungsdauer von 29 Tagen standen damit die Kosten der Notreparatur nicht außer Verhältnis zu einem ansonsten seitens der Beklagten geschuldeten Ausgleich der fehlenden Nutzungsmöglichkeit des klägerischen Fahrzeugs durch den Unfall.

Nicht zu ersetzen sind hingegen die Finanzierungskosten, denn Folgeschäden werden grundsätzlich nur dann von der Ersatzpflicht erfasst, sofern sie mit dem zum Ersatz verpflichtenden Ereignis in adäquatem Ursachenzusammenhang stehen und in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es hier, denn die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt in der Lage, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug ohne die Aufnahme eines Kredits zu finanzieren, wie die von ihr geleistete Anzahlung, die den Wiederbeschaffungswert nach Gutachten übersteigt, zeigt. Die Aufnahme des Darlehens war vielmehr dem Umstand geschuldet, dass sich die Klägerin für den Erwerb eines höherwertigen Fahrzeugs entschieden hatte, was nicht mehr kausal auf das Unfallereignis zurückgeführt und damit dem Schädiger nicht angelastet werden kann.

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