Offenbarungspflichten des Gebrauchtwagenverkäufers
LG Fulda, Urteil vom 14.11.2019, AZ: 2 O 76/18
Praxis
Letztendlich verneinte das LG Fulda hier eine arglistige Täuschung des Käufers seitens des Verkäufers. Beweisbelastet für diesen Umstand ist der Käufer. Der Nachweis ist regelmäßig schwer zu erbringen.
Grundsätzlich genügt es allerdings bereits, dass der Händler ein für den Verkauf erworbenes Fahrzeug nicht ausreichend untersucht und einer Sichtprüfung unterzieht. Unterlässt er dann einen entsprechenden Hinweis an den Käufer, so haftet er allein schon deshalb wegen Arglist.
Der Händler muss auch ungefragt dem Käufer mitteilen, das Kfz nicht untersucht zu haben. Verpflichtet ist der Händler allerdings grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“). Im konkreten Fall ging nach erfolgter Beweisaufnahme das Gericht davon aus, dass eine solche Untersuchung auf Beklagtenseite stattfand, sodass auch dahingehend Arglist nicht begründet war.
Hintergrund
Am 08.07.2016 erwarb der Kläger beim verklagten gewerblichen Kfz-Händler einen gebrauchten Audi Q7, 4.2 TDI quattro. Der Kaufpreis betrug 21.800,00 €. Im schriftlichen Kaufvertrag befand sich hinter dem Wort „Unfallfahrzeug“ ein Strich. Des Weiteren hieß es:
„Der Verkäufer weist ausdrücklich darauf hin, dass er das Fahrzeug auf etwaige Vorschäden nicht untersucht hat.“
Die Beklagte hatte das Fahrzeug kurz vor dem Verkauf am 08.07.2016 von einem Dritten erworben. In diesem Kaufvertrag hieß es, das Fahrzeug sei „unfallfrei lt. Vorbesitzer“.
Unstreitig war, dass der Kläger auf Vorschlag der Beklagten vor Abschluss des Kaufvertrags mit dem Audi Q7 eine DEKRA-Prüfstelle aufsuchte. Weiter unstreitig blieb, dass die Beklagte vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger von diesem gewünschte Lackierarbeiten auf Kosten der Beklagten am Pkw durchführte.
Nachdem der Kläger das Fahrzeug am 18.01.2018 durch einen Dritten bewerten ließ, wurden hierbei zwei Vorschäden am Heck bzw. an der rechten Seite festgestellt. Hierauf focht der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung per Schreiben vom 30.01.2018 an. Im Wesentlichen behauptete der Kläger, dass ihm M. als Mitarbeiter der Beklagten vor dem Kauf zugesichert habe, der Wagen sei unfallfrei.
Die Beklagte behauptete im Prozess im Wesentlichen, der Kläger habe sich vor dem Kauf des Fahrzeugs über Vorschäden informiert. Außerdem sei eine Unfallfreiheit gerade nicht zugesichert worden. Die Beklagte habe auch darauf verwiesen, den Wagen nicht selbst untersucht zu haben. Hierfür fehlten ihr die technischen Voraussetzungen.
Das LG Fulda lehnte die Klage ab und sah auf Seiten des Klägers keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Aussage
Das LG Fulda stellte fest, dass der Kläger für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung beweisbelastet war. Den Nachweis einer solchen arglistigen Täuschung konnte der Kläger allerdings nicht führen. Die Zeugeneinvernahme hatte insoweit nicht die Überzeugung des Gerichts erbracht, ein Mitarbeiter der Beklagten habe die Unfallfreiheit mündlich erklärt. Zweifel gingen hier zulasten des Klägers.
Auch die Variante einer Täuschung durch Unterlassen wegen fehlender Aufklärung über einen Unfallverdacht sah das LG Fulda als nicht gegeben an. Hierzu führt das Gericht aus:
„Zwar ist anerkannt, dass beim Verkauf eines Gebrauchtwagens eine Aufklärungspflicht nicht nur für Unfallschäden, sondern ebenso bezüglich des Vorhandenseins eines bloßen Unfallverdachts besteht. Ein Verkäufer, der aufgrund konkreter Anhaltspunkte einen Unfallverdacht hegt, handelt daher arglistig, wenn er seinen Verdacht gegenüber dem Kaufinteressenten verschweigt. Aus festgestellten Lackunterschieden folgt aber ein solcher Verdacht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.10.2010 – 4 U 71/09, NJW-RR 2011, 1070, 1072; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 19.02.1999 – 24 U 71/97, NJW-RR 1999, 1064, 1064). Vorliegend räumt die Beklagte ein, solche Lackunterschiede am Fahrzeuge erkannt zu haben, die ihren Grund zwar auch nur in einer Schönheitsreparatur haben könnten, genauso gut aber auch in einem erheblichen Vorunfall. Es ist jedoch nicht erwiesen, dass die Beklagte diesen Verdacht nicht gegenüber dem Kläger offenbarte. Ganz im Gegenteil bekundeten alle drei Zeugen, dass es eine solche Lackdichteuntersuchung in Anwesenheit des Klägers gegeben habe, die Auffälligkeiten ergab. Letztlich war dies auch Anlass, mit dem Wagen sodann zur DEKRA zu fahren. Angesichts dieser Sachlage steht dann aber gerade nicht fest, dass die Beklagte diesen Unfallverdacht nicht offenbarte, sodass ihr unter diesem Aspekt keine Täuschung anzulasten ist.
Eine Täuschung besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt, den Kläger nicht über eine unterbliebene Fahrzeuguntersuchung aufgeklärt zu haben.
Denn den Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlaßunabhängige Obliegenheit, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Vielmehr ist er grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VII I ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14). Wenn sich hieraus keine Anhaltspunkte für einen Vorschaden ergeben, dann besteht keine Pflicht zu weiteren Nachforschungen und damit auch nicht zu einer Abfrage bei der zentralen Datenbank des Herstellers betreffend der dort vorhandenen Reparaturhistorie des Fahrzeugs bei anderen Vertragshändlern (BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, NJW 2014, 211 Rn. 24 f.).
Nimmt der Verkäufer die erforderliche Sichtuntersuchung nicht vor, ergibt sich das Merkmal der Arglist dabei daraus, dass er den Käufer nicht in eindeutiger Weise auf die unterlassene Untersuchung hingewiesen hat. Ein Kraftfahrzeughändler, der an einem Fahrzeug keine Sichtprüfung auf Unfallschäden vornimmt, muss, um dem Vorwurf der Arglist zu entgehen, einen Kaufinteressenten eindeutig darauf hinweisen, dass ein nicht geringes Risiko eines Unfallschadens besteht, weil einfachste Untersuchungen zur Frage eines Unfallschadens nicht durchgeführt wurden (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.10.2010 – 4 U 71/09, NJW-RR 2011, 1070, 1072). Diese Erklärung seiner Unkenntnis schuldet der Verkäufer auch ungefragt (OLG Köln, Urt. v. 05.07.1996 – 19 U 106/95, NJW-RR 1997, 1214, 1215).
Vorliegend ist zum einen anhand des mitgeteilten Beweisergebnisses aber davon auszugehen, dass eine entsprechende einfache Untersuchung in Gestalt einer Lackdichteprüfung erfolgte, deren Ergebnis dem Kläger mitgeteilt wurde. Zum anderen verwies die Beklagte im schriftlichen Vertrag auch eindeutig darauf, dass sie weitergehende Untersuchungen auf etwaige Vorschäden nicht vorgenommen hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet eine arglistige Täuschung damit aus.“