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Werkstattrisiko liegt beim Schädiger

LG Deggendorf, Urteil vom 08.10.2019, AZ: 13 S 39/19

Praxis

Den Schädiger trifft regelmäßig das sogenannte Werkstattrisiko. Der Indizwirkung einer beglichenen Reparaturrechnung bedarf es jedenfalls dann nicht für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten, wenn der Geschädigte neben der (unbeglichenen) Rechnung noch ein Sachverständigengutachten zur Verfügung stellt, dass die Kosten im Wesentlichen gleich prognostiziert.

Hintergrund

Die Parteien streiten um restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger holte nach dem Unfallereignis ein Privatsachverständigengutachten ein, der Sachverständige prognostizierte Reparaturkosten in Höhe von 3.194,56 €, sodann ließ der Kläger sein Fahrzeug reparieren. Hierfür wurden ihm insgesamt 3.283,91 € in Rechnung gestellt. Der beklagte Haftpflichtversicherer regulierte lediglich 2.306,55 €, sodass eine Differenz von 977,36 € verbleibt.

Erstinstanzlich unterlag der Kläger am AG Deggendorf (AZ: 1 C 964/18). Dieses war der Ansicht, dass die Beklagte keinen weitergehenden Betrag zu regulieren habe. Gegen das Urteil des AG Deggendorf richtet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Aussage

Nach Ansicht des LG Deggendorf ist das Urteil des AG Deggendorf aufzuheben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 977,36 €.

Der Geschädigte kann statt der Herstellung der Sache den dazu erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger ersetzt verlangen. Ihm sind dabei auch die Mehrkosten zu ersetzen, die ohne seine Schuld durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt insoweit das Werkstatt- bzw. Prognoserisiko. Etwas anderes kann nur gelten, wenn den Geschädigten ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte dem Kläger die geltend gemachten Reparaturkosten zu ersetzen, auch insoweit diese aus technischer Sicht zur Schadenbeseitigung nicht notwendig gewesen sein sollten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger vor der Beauftragung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, das die Reparaturkosten lediglich mit 3.194,56 € bezifferte. Die tatsächlich in Rechnung gestellten Kosten übersteigen die Schätzung des Sachverständigen lediglich um 89,35 €, mithin weniger als 3 %.

Dem Schädiger ist das Werkstattrisiko auch dann aufzubürden, wenn der Geschädigte die Werkstattrechnung noch nicht beglichen hat. Im vorliegenden Fall verfügt der Geschädigte nicht nur über eine Rechnung der Reparaturwerkstatt, sondern auch über ein Sachverständigengutachten, das ihm die Angemessenheit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten bestätigt.

„Holt aber ein Geschädigter ein privates Sachverständigengutachten ein und stimmen die darin veranschlagten Reparaturkosten mit den ihm später in Rechnung gestellten tatsächlichen Reparaturkosten im Wesentlichen überein, so darf ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter die ihm in Rechnung gestellten Kosten für erforderlich halten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturkosten bereits beglichen hat oder nicht. Denn der Indizwirkung einer bezahlten Rechnung bedarf es in diesem Fall nicht. Vielmehr entfaltet die wesentliche Übereinstimmung der vom Sachverständigen veranschlagten und der von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Kosten für sich genommen bereits eine ausreichende Indizwirkung. “

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