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Kfz-Haftpflichtschaden – verlängerte Anmietdauer geht zulasten des Geschädigten, welcher vorfinanzieren muss

OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2018, AZ: 1 U 162/17

Praxis

Das OLG Düsseldorf stellt hier hohe Anforderungen – nicht an den Schädiger, sondern an den Geschädigten.

Zunächst betont das OLG Düsseldorf zwar, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht vorfinanzieren müsse. Weiterhin betonte es, dass die Beweislast im Hinblick auf einen Verstoß gegen Schadenminderungspflichten auf Geschädigtenseite beim Schädiger liege. Ausnahmsweise müsse allerdings der Geschädigte vorfinanzieren und ihm obliege auch die sekundäre Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf diese nicht mögliche Vorfinanzierbarkeit des Schadens.

Nach Ansicht des Verfassers macht das OLG Düsseldorf die Ausnahme zur Regel. Es kommt zum Ergebnis, dass der Geschädigte in vielen Fällen – also gerade nicht mehr nur ausnahmsweise – vorfinanzieren muss und diesem wird auch das Risiko aufgebürdet, später nicht mehr darlegen zu können, dass eine entsprechende Vorfinanzierung nicht mehr möglich war.

Ein Geschädigter, welcher über eine entsprechende Bonität verfügt, müsste also grundsätzlich mangels liquider finanzieller Mittel in den Grenzen der Zumutbarkeit ein Darlehen aufnehmen. Der damit im Zusammenhang stehende Aufwand und die damit verbundenen Risiken sind nicht unerheblich.

Häufig wird es dann zu einem Folgestreit mit dem Versicherer, wer die Kosten des Darlehens (Zinsen etc.) bezahlt, kommen. Der Versicherer wird hier situationsabhängig argumentieren und entweder dem Geschädigten vorwerfen, nicht vorfinanziert zu haben oder umgekehrt unter Verstoß gegen Schadenminderungspflichten vorfinanziert zu haben, obwohl die Versicherung regulierungsbereit gewesen wäre.

Nach Ansicht des Verfassers schränkt mithin das Urteil des OLG Düsseldorf die Rechte des Geschädigten nicht unerheblich ein. In der Praxis ist jedenfalls stets dazu anzuraten, bei einer sich abzeichnenden verlängerten Anmietdauer aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Vorfinanzierung die Versicherung auf die Möglichkeit der Schadenvergrößerung hinzuweisen und Gelegenheit zur Schadenminderung zu geben. Damit verbessert man seine Ausgangsposition vor Gericht bei der Durchsetzung höherer Mietwagenkosten.

Hintergrund

Der Kläger erlitt mit seinem BMW am 11.09.2015 unverschuldet einen Verkehrsunfall. Die Eintrittspflichtigkeit der verklagten unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung dem Grunde nach zu 100 % stand fest. Am Fahrzeug des Klägers lag ein Reparaturschaden vor, ein Beweissicherungsgutachten wurde am 14.09.2015 erstellt.

Der Gutachter prognostizierte eine Reparaturdauer von sechs Arbeitstagen. Per Schreiben vom 14.09.2015 forderte der Kläger von der beklagten Versicherung die Deckungszusage und die Leistung eines Vorschusses u.a. für Mietwagenkosten. Er (der Kläger) müsse anderenfalls einen Bankkredit aufnehmen.

Per anwaltlichem Schreiben vom 16.09.2015 forderte der Kläger unter Vorlage des Gutachtens die beklagte Versicherung zum Ausgleich der Netto-Reparaturkosten bis zum 28.09.2015 auf. Der Kläger nutzte vom 11.09.2015 bis 23.10.2015 – also für 43 Tage – einen Ersatzwagen, wofür 5.901,21 € berechnet wurden. In der Zwischenzeit bestellte sich der Kläger ein Neufahrzeug.

Per Schreiben vom 22.09.2015 kündigte die Beklagte zu 2) an, im Rahmen ihrer Eintrittspflicht den Schaden zu regulieren. Das klägerseits eingeholte Gutachten werde derzeit überprüft.

Per Schreiben vom 25.09.2015 forderte die beklagte Versicherung dazu auf, das klägerische Fahrzeug zur Nachbesichtigung zur Verfügung zu stellen. Diese Nachbesichtigung des unreparierten Fahrzeugs fand am 09.10.2015 statt und per Schreiben vom 16.10.2015 kündigte die beklagte Versicherung die Regulierung des Schadens an.

Ein Betrag von 12.297,33 € wurde dem Kläger am 21.10.2015 gutgeschrieben. Sodann bezahlte die Beklagte noch die am 19.11.2015 dem Kläger in Rechnung gestellten konkreten Reparaturkosten.

Vorgerichtlich monierte die Beklagte die Anmietdauer. Der Kläger habe gegen Schadenminderungspflichten verstoßen.

Die hierauf erhobene Klage des Klägers vor dem LG Kleve (AZ: 3 O 303/16) blieb weitgehend erfolglos. Die hiergegen klägerseits eingelegte Berufung war nur zu einem geringen Teil begründet.

Aussage

Das OLG Düsseldorf stellte fest, dass der Kläger unstreitig gestellt hatte, dass die Höhe der Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittels zwischen den Werten des Fraunhofer- Marktpreisspiegels und des Schwacke-Automietpreisspiegels unter Abzug einer Eigenersparnis von 5 % zu ermitteln seien. Die Berechnung eines Bruttopreises von 120,00 € je Tag war mithin unstreitig.

Bezüglich der Anmietdauer stellte allerdings auch das OLG Düsseldorf (wie bereits vorher das LG Kleve) einen Verstoß gegen Schadenminderungspflichten auf Klägerseite fest. Zwar seien die Mietwagenkosten, welche im Zeitraum des Ausfalls des verunfallten Fahrzeugs entstehen, grundsätzlich ersetzbar. Auch liege grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast vor Gericht, dass der Kläger seine Obliegenheit, den Schaden gering zu halten, verletzt habe, aufSchädigerseite. Dem Geschädigten könnten im Rahmen der Schadenminderungspflicht auch keine Anstrengungen abverlangt werden, die diesem unzumutbar seien.

Auch sei es grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadenbeseitigung zu finanzieren (BGH, Urteil vom 06.11.1973, AZ: VI ZR 27/73, Rn. 7). Grundsätzlich sei der Geschädigte nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen (BGH, Urteil vom 26.05.1988, III ZR 42/87, Rn. 17; BGH, Urteil vom 18.02.2002, AZ: II ZR 355/00, Rn. 18).

Dies gelte allerdings dann nicht, wenn der Geschädigte über ausreichende Mittel zur Schadenbehebung verfüge und damit die Instandsetzung ohne besondere Einschränkung der gewohnten Lebensführung betreiben könne. Auch wenn der Geschädigte ohne Schwierigkeiten in der Lage sei, einen Kredit zu beschaffen, dessen Rückzahlung ihn nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belaste, sei es ihm ausnahmsweise zumutbar, selbst in Vorleistung zu treten. Er dürfe dann die Erteilung eines Reparaturauftrags nicht hinauszögern.

Weiterhin trage der Kläger die sogenannte sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Frage der Finanzierbarkeit der Reparatur. Der Kläger müsse also darlegen, dass er weder die Mittel zur Finanzierung der Reparatur hatte noch es ihm möglich war, ein Darlehen hierzu aufzunehmen, das er sich ohne Schwierigkeiten hätte beschaffen und durch dessen Rückzahlung er nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet werde.

Im konkreten Fall ging das OLG Düsseldorf davon aus, dass der Kläger zu einer solchen Vorfinanzierung mittels Kreditaufnahme in der Lage gewesen wäre. Das Gericht hatte dem Kläger im Prozess aufgegeben, hierzu näher vorzutragen. Dem kam der Kläger allerdings nicht in ausreichendem Umfang nach.

Auch der Wunsch der Beklagten, das Fahrzeug nachzubesichtigen, rechtfertigte nach Ansicht des Gerichts nicht die verlängerte Anmietdauer. Zum Zeitpunkt des Nachbesichtigungsverlangens hätte der Kläger nämlich das Fahrzeug bei Vorfinanzierung schon längst reparieren lassen können. Bei zügiger Reparaturfreigabe hätte der Kläger bereits nach 14 Tagen wieder über das verunfallte Fahrzeug verfügen können. Das Gutachten lag dem Kläger spätestens am 16.09.2015 vor. Nachdem es sich um einen eindeutigen Reparaturschaden handelte, gestand das OLG Düsseldorf dem Geschädigten auch keinen Überlegungs- und Erkundigungszeitraum zu. Allerdings hatte wohl der Kläger ohnehin schon am Unfalltag einen Reparaturauftrag an die Werkstatt erteilt.

Nach alledem blieb die Berufung des Klägers weitaus überwiegend erfolglos.

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