Kein Bagatellschaden bei Reparaturkosten in Höhe von 866,07 € brutto.
AG Nürnberg, Urteil vom 06.06.2019, AZ: 18 C 2692/19
Praxis
Das AG Nürnberg spricht im vorliegenden Fall dem Sachverständigen sein Honorar zu. Weil sich die Höhe des Schadens vornehmlich im Grenzbereich der Bagatellschadengrenze befindet, bedarf es einer genauen Einzelfallprüfung, der sie jedoch standhält.
Hintergrund
In dem vor dem AG Nürnberg verhandelten Streit klagte der Sachverständige aus angetretenem Recht gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners auf die Erstattung der Sachverständigenkosten.
Die Beklagte wendet ein, dass der kalkulierte Reparaturschaden am Fahrzeug mit 866,07 brutto (727,79 € netto) sowie einer Wertminderung in Höhe von 100,00 € die Bagatellschadengrenze nicht überschreiten würde. Somit wäre eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht erforderlich gewesen.
Aussage
Die Kosten des Sachverständigengutachtens gehören grundsätzlich zu den mit dem Schaden verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzes erforderlich und zweckmäßig ist. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadengutachtens zu beauftragen.
„Ob die Erstellung eines Sachverständigengutachtens ausnahmsweise zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist, bestimmt sich aus der Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters unter Berücksichtigung seiner Individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten sowie der möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten.“
Ein Indiz für die Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bildet der festgestellte Reparaturaufwand. Die vom BGH zuletzt festgestellte Bagatellschadengrenze lag im Jahr 2004 bei ca. 715,00 € (BGH vom 30.11.2004, AZ VI ZR 356/03). Im Hinblick auf die Entwicklung der Reparaturkosten werden heute überwiegend Grenzen von 750,00 € und 1.000,00 € angenommen. Der vorliegende Fall betrifft einen zu beurteilenden Grenzbereich, wobei davon ausgegangen werden muss, dass es keine starren Grenzen gibt, sondern immer der Einzelfall berücksichtigt werden muss.
In diesem Fall soll sich der Unfall durch ein zurücksetzendes Fahrzeug mit Schrittgeschwindigkeit ereignet haben. Dies mag zunächst dagegen sprechen, dass hier erhebliche Schäden zu erwarten waren. Im Gutachten wurde festgestellt, dass die vordere Stoßstangenverkleidung eingedrückt und verformt war, sodass für den Geschädigten bei einer ex-ante-Betrachtung die Höhe des Schadens nicht absehbar war. „Jedwede nach dem Unfallhergang oder dem Schadenbild vertretbare Zweifel, ob nicht verborgene Schäden (Verformungen beispielsweise) entstanden sind, gehen insoweit zu Lasten des Schädigers, der die Beweisnot des Schädigers zu verantworten hat.“ Im Übrigen ist das Honorar des Sachverständigen, welches sich nach der Schadenhöhe richtet und in Einklang mit der BVSK-Honorartabelle steht, nicht zu beanstanden.