Werkstattrisiko geht zulasten des Schädigers
AG Lübeck, Urteil vom 17.09.2018, AZ: 26 C 560/18
Praxis
Auch nach Auffassung des AG Lübeck geht das Werkstattrisiko zulasten des Schädigers, sofern den Geschädigten kein erkennbares Auswahlverschulden trifft.
Hintergrund
Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall. Im außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten wurden Reparaturkosten von über 27.000,00 € kalkuliert. Der Kläger ließ sein Fahrzeug sodann auf Grundlage des Gutachtens reparieren, hierfür wurden ihm insgesamt 21.128,67 € in Rechnung gestellt.
Die beklagte Haftpflichtversicherung regulierte lediglich einen Betrag von 21.045,60 € und brachte von den Verbringungskosten 80,07 € in Abzug. In der Reparaturrechnung sind Verbringungskosten in Höhe von 149,80 € ausgewiesen, sie wurden außerdem in eben dieser Höhe im Sachverständigengutachten kalkuliert.
Der Kläger nahm sich für die Zeit der Reparatur vom 04.05.2016 bis 16.06.2016 einen Mietwagen, die Kosten hierfür beliefen sich auf 3.296,30 €. Die Beklagte kürzte um 1.178,10 € und regulierte nur einen Betrag von 2.118,20 €. Sie ist der Auffassung, dass die Reparatur unnötig lange gedauert hat und die Mietwagenkosten daher nicht vollumfänglich zu regulieren seien.
Aussage
Nach Ansicht des AG Lübeck ist die Klage vollumfänglich begründet.
„Der Geschädigte hat gemäß § 249 BGB Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Wiederherstellungskosten. Dies sind die Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadenbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (LG Hamburg, Urteil v. 04.06.2013 – 302 O 92/11 – Rn.22 Juris.)
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadenregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs.1 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit mehr Aufwendungen der Schadenbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass der Schadensbeseitigung einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.“ Insofern geht das Werkstattrisiko zulasten des Schädigers. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in der abgerechneten Weise nicht ausgeführt wurden. Hintergrund ist, dass der Geschädigte die Schadenbeseitigung für den Schädiger durchführen lässt. Hätte der Schädiger wie von § 249 BGB vorgesehen die Reparatur selbst veranlasst, hätte er sich auch mit dem Verhalten der Werkstatt auseinandersetzen müssen. Ihm entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann.
Da die Verbringungskosten in der Reparaturrechnung denen entsprechen, die vom Sachverständigen kalkuliert wurden, durfte der Kläger davon ausgehen, dass Verbringungskosten in dieser Höhe notwendig waren und auch tatsächlich angefallen sind. Die Beklagte hat mithin die restlichen Verbringungskosten zu regulieren.
Der Kläger hat außerdem nicht gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, indem er sich für die Dauer der Reparatur von 43 Tagen einen Mietwagen nahm. Nachdem der Kläger sein Fahrzeug in die Hände des Reparaturbetriebes gegeben hatte, war die Durchführung der Reparatur seines Einflusses entzogen. Der Reparaturablaufplan zeigt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs erkennbar unnötig verzögert wurde. Insofern geht auch hier das Werkstattrisiko zulasten der Beklagten, sodass auch die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 1.178,10 € von der Beklagten zu zahlen sind.