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Zur Erstattungsfähigkeit tatsächlich angefallener Reparaturkosten

AG Suhl, Urteil vom 21.09.2016, AZ: 1 C 544/15

Praxis

Auch das AG Suhl bestätigt, dass die ermittelten Schadenpositionen im zuvor erstellten Gutachten vollumfänglich vom Schädiger zu erstatten sind. Der Geschädigte darf auf die Erforderlichkeit der im Gutachten ermittelten Reparaturkosten vertrauen und eine entsprechende Reparatur in Auftrag geben (vgl. auch AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 02.12.2016, AZ: 24 C 514/16; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 23.09.2015, AZ: 18 C 3143/15; AG Essen-Steele, Urteil vom 17.08.2016, AZ: 17 C 286/15; AG Essen, Urteil vom 02.01.2016, AZ: 135 C 121/15; AG Fürstenwalde/Spree, Urteil vom 09.07.2014, AZ: 26 C 299/13; AG Salzgitter, Urteil vom 14.10.2015, AZ: 22 C 57/15).

Das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB besteht darin, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadenausgleich zukommen soll. Der Rechtsprechung steht die Rolle eines „Rechnungsprüfers“ aufgrund der gesetzlichen Systematik des Schadenersatzrechts nicht zu.

Hintergrund

Der Parteien streiten u.a. um restliche Reparaturkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls. Das verunfallte Fahrzeug des Klägers war zur Reparatur in ein Autohaus verbracht worden. Über das Autohaus beauftragte der Kläger zunächst die Erstellung eines Schadengutachtens. Darin wurden die notwendigen Reparaturkosten ermittelt.

Die Beklagte wurde durch den anwaltlich vertretenen Kläger unter Übersendung des Gutachtens zur Zahlung der Netto-Reparaturkosten aufgefordert. Die Beklagte erteilte daraufhin die Reparaturfreigabe und kürzte die geltend gemachten Netto-Reparaturkosten um die UPE-Aufschläge, Verbringungskosten und die Kosten für die Lackierarbeiten. Trotz Vorlage der Reparaturrechnung hielt die Beklagte an diesen Kürzungen fest.

Der Klage wurde stattgegeben.

Aussage

Der Kläger hat Anspruch auf die Erstattung der restlichen Reparaturkosten zum Ausgleich der vorgelegten Reparaturrechnung.

Das AG Suhl führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass der erforderliche Geldbetrag zu ersetzen ist, mithin die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei gilt die ex- ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrages. Eine etwaige nachträgliche Überprüfung der jeweiligen Reparaturrechnung durch den Schädiger ist daher so lange nicht maßgeblich, wie Reparaturschritte und Rechnungspositionen nur im grundsätzlichen Zusammenhang mit dem durch den Unfall verursachten Schaden stehen.

Aufgrund der gesetzlichen Systematik des Schadenrechts steht der Rechtsprechung die Rolle des „Rechnungsprüfers“ nicht zu. Das sogenannte Prognoserisiko trägt grundsätzlich der Schädiger. Er haftet allein für erfolglose Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen, sofern nur der Geschädigte die getroffenen Maßnahmen als aussichtsreich ansehen durfte.

Der Geschädigte trägt daher lediglich das Auswahlrisiko. Wenn der Geschädigte eine (markengebundene) Fachwerkstatt mit der Reparatur seines Fahrzeugs beauftragt, hat er grundsätzlich seine Pflicht erfüllt. Dies gilt umso mehr, wenn er zuvor einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Schadenbegutachtung beauftragt hat und anschließend unter Bezugnahme auf dieses Gutachten den Reparaturauftrag erteilt.

Damit hat der Kläger unter Heranziehung von Fachleuten die Auswahl des die Reparatur durchführenden Fachbetriebs pflichtgemäß getroffen. Ob im Einzelnen jeder einzelne Reparaturweg notwendig war, ist unerheblich. Der Schädiger hat dem Geschädigten alle Kosten zu ersetzen, die er nach dem vorgenannten Maßstab für erforderlich halten durfte. Die von der Beklagtenseite gegen die Reparaturrechnung vorgebrachten Einwendungen sind daher unbegründet.

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