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Keine Pflicht zur Schadenminderung durch Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zur Zwischenfinanzierung der Reparaturkosten im Haftpflichtschaden

LG Stralsund, Urteil vom 07.12.2016, AZ: 7 O 146/15

Praxis

Ging das OLG Naumburg in seinem Urteil vom 19.02.2004 (AZ: 4 U 146/03) noch davon aus, dass der Geschädigte verpflichtet ist, eine private Vollkaskoversicherung zur Zwischenfinanzierung der Reparaturkosten und damit zur Minderung der notwendigen Mietwagenkosten in Anspruch zu nehmen, so steht man seit der Entscheidung des OLG Dresden vom 04.05.2012 (AZ. 1 U 1797/11) auf dem Standpunkt, dass der Geschädigte – sofern er aus eigenen Mitteln nicht zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten in der Lage ist – nicht seine Vollkaskoversicherung belasten muss.
Dies geschieht zum einen aus der Erwägung, dass es sich bei einer Vollkaskoversicherung grundsätzlich um eine private Vorsorge handelt, die den Schädiger nicht entlasten soll. Weiterhin ist auch nicht in jedem Fall eine Schadenminderung zwingend, da auch durch die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherungen Kosten (Rabattverlust, Höherstufungs- schaden) entstehen.

Hintergrund

Der Kläger (Geschädigter eines Verkehrsunfalls) forderte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Mietwagenkosten in Höhe von rund 11.000,00 € für einen Zeitraum von vier Monaten. Die beklagte Versicherung erklärte Haftungsübernahme erst nach drei Monaten, obwohl der Kläger nicht in der Lage war, den Schaden vorzufinanzieren. Zwar verfügte er über eine Vollkaskoversicherung, diese wollte er aber nicht in Anspruch nehmen. Die Beklagte zahle Mietwagenkosten nur in Höhe von 1.300,00 € – mit der Begründung, der Kläger wäre zur Vorfinanzierung durch die Vollkaskoversicherung verpflichtet.

Aussage

Nach Aussage des LG Stralsund ist der Geschädigte nicht verpflichtet, zur Schadenminderung einen Kredit aufzunehmen oder eine bestehende Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Die Haftpflichtversicherung muss damit rechnen, dass der Geschädigte ein Mietfahrzeug in Anspruch nimmt. Daher ist sie verpflichtet, bei verzögerter Prüfung der Eintrittspflicht, selbst beim Geschädigten nachzufragen und ggf. ein Interimsfahrzeug zur Verfügung zu stellen bzw. ihm ein günstigeres Mietfahrzeug anzubieten.
Daher sprach das LG Stralsund dem Kläger die gesamten Mietwagenkosten – lediglich abzüglich der Eigenersparnis in Höhe von 10 % – zu.

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