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Zur Frage der fiktiven Abrechenbarkeit von Schäden aus Sachmangel bei Werk- und Kaufverträgen

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.07.2019, AZ: 6 O 7787/18

Praxis

Die Aussagen des LG Nürnberg-Fürth, welche sich mit der neueren Rechtsprechung des BGH auseinandersetzen, lassen sich auch auf den Bereich des Kfz-Rechts übertragen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH besteht im werkvertraglichen Bereich grundsätzlich kein Anspruch mehr auf Erstattung fiktiver Schadenbeseitigungskosten. Lässt der Auftraggeber die Folgen einer mangelhaften Werkleistung nicht beseitigen, so hat er unter Umständen lediglich einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts.

Einige Gerichte übertragen diese Rechtsprechung auch auf den kaufvertraglichen Bereich. Der Käufer eines Fahrzeugs hätte danach nur Anspruch auf Erstattung der Mangelbeseitigungskosten nach konkreter Mangelbeseitigung. Ein Anspruch könnte auch bestehen, wenn der Käufer hinreichend gesichert Mängel beseitigen lassen will.

Steht fest, dass der Käufer ausschließlich eine fiktive Schadenabrechnung wünscht, so ist zweifelhaft, ob er Anspruch auf Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten hat. Vielmehr beschränkt sich sein Anspruch unter Umständen nur auf den Minderwertausgleich. Diese Frage ist – wie bereits ausgeführt – höchstrichterlich nicht endgültig geklärt. Im konkreten Fall bedurfte es dahingehend keiner Entscheidung, nachdem der Sachverhalt nicht vergleichbar war. Der Käufer von Parkettboden und Leim wollte das Parkett definitiv nicht behalten und beabsichtigte auch die Mangelbeseitigung. Er konnte die fiktiven Mangelbeseitigungskosten ohne Nachweis der Reparatur verlangen.

Hintergrund

In dem Fall, den das LG Nürnberg-Fürth zu entscheiden hatte, ging es um den Kauf von Parkettboden bzw. Leim und die Verlegung eines Parketts. Die Aussagen des Urteils sind allerdings auch auf den Kfz-Werk- bzw. Kaufvertrag übertragbar.

Hintergrund des Falls war der Kauf von Parkettdielen, vier Eimer des für die Verlegung vorgesehenen Klebers sowie weiteren Zubehörs seitens des Klägers von der Beklagten am 21.10.2013. Die Lieferung erfolgte am 08.11.2013. Der Kläger verlegte das Parkett unter Verwendung des bei der Beklagten erworbenen Klebers.

Am 16.11.2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Beseitigung von Mängeln auf. Hierfür setzte er Frist bis 14.12.2016.

Nachdem die Frist erfolglos verstrich, beantragte der Kläger vor dem LG Nürnberg-Fürth die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Er brachte vor, er habe im Sommer 2016 bemerkt, dass das Parkett Hohlstellen aufweise. Es habe sich an mehreren Stellen gelöst. Der Kleber habe nicht die notwendige Festigkeit aufgewiesen.

Sodann begehrte der Kläger vor dem LG Nürnberg-Fürth die Erstattung der zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten. Diese umfassten das Ausräumen des Anwesens des Klägers im Erdgeschoss, die Entfernung des bisherigen Parkettbodens und dessen Entsorgung sowie nach Vorbereitung der Estrichfläche das Verlegen eines neuen Parkettbodens. Die Neuverlegung verursache voraussichtlich Kosten in Höhe 13.726,52 € netto und das Aus- und Einräumen der Möbel verursache Kosten in Höhe von voraussichtlich 5.322,30 € netto.

Das LG Nürnberg-Fürth verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 19.048,82 € an den Kläger. Weiterhin wurden der Beklagten Verzugszinsen wie auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten auferlegt. Darüber hinaus hatte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits alleinig zu tragen.

Aussage

Das LG Nürnberg-Fürth ging davon aus, dass die Kaufsache in Gestalt des veräußerten Klebstoffs mangelhaft war. Hierzu holte das Gericht im vorhergehenden selbstständigen Beweisverfahren ein Gutachten ein. Der Gutachter stellte fest, der Kleber sei für die gewöhnliche Verwendung zur Verbindung von Parkett am Unterboden nicht geeignet. Dem Kleber fehle letztendlich die notwendige Festigkeit, um das Parkett dauerhaft am Unterboden zu halten. Danach könne der Kläger gemäß § 249 Abs. 2 BGB die für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten verlangen – dies vor Durchführung der Maßnahme allerdings nur netto.

Den Einwand auf Beklagtenseite der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteile vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463 und vom 06.12.2018 - VII ZR 71/15, NJW-RR 2019, 406) ließ das Gericht nicht gelten. Nach dieser neueren Rechtsprechung kann beim Werkvertrag Schadenersatz aus mangelhafter Werkleistung nicht stets fiktiv geltend gemacht werden. Um eine Überkompensation zu vermeiden kann der Geschädigte unter bestimmten Umständen bei fiktiver Abrechnung darauf verwiesen werden, sich auf den Ausgleich des Minderwerts der Werkleistung zu beschränken.

Es sei hier noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob die Änderung der Rechtsprechung auch auf das Kaufrecht Auswirkung habe. Die Begründung des VII. Zivilsenats der Ansicht, dass im Werkvertrag eine fiktive Abrechnung nicht zulässig sei, beruhe darauf, dass es im werkvertraglichen Bereich bei einer solchen fiktiven Schadenabrechnung häufig zu einer Überkompensation komme – was nichts anderes heißt, als dass der Geschädigte mehr erstattet erhält, als ihm an Schaden tatsächlich entstanden ist. Nach dieser Rechtsprechung könne der Besteller dann tatsächlich nur den Ausgleich des Minderwerts des (mangelhaften) Werkes verlangen, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt. Nur der Besteller, der den Mangel beseitigen lässt oder lassen will, kann die voraussichtlichen Netto-Reparaturkosten erstattet verlangen.

Entgegen dem OLG Frankfurt (Urteil vom 21.02.2019 in BeckRS 2019, 370, Rn. 43 ff.) ging das LG Nürnberg-Fürth nicht davon aus, dass diese Rechtsprechung auf das Kaufrecht übertragbar sei (so auch OLG Düsseldorf in BeckRS 2018, 31442, Rn. 37). Denn anders als im Werksvertragsrecht gibt es im Kaufrecht keinen Anspruch auf Vorschuss.

Letztendlich komme es auf diese Streitfrage allerdings im konkreten Fall gar nicht an, so das LG Nürnberg-Fürth. Denn die Voraussetzungen der neueren Rechtsprechung des BGH lägen im konkreten Fall bereits nicht vor.

Der Fall unterscheide sich zum einen dadurch, dass der Kläger das Parkett nicht behalten wolle, sondern sich gerade der Kaufsache entledigen und neue Parkettdielen verlegen lassen wolle. Außerdem habe der Kläger hinreichend deutlich gemacht, dass er den vorhandenen Zustand nicht akzeptieren werde und er zur Mangelbeseitigung entschlossen ist. Des Weiteren erschiene es nicht interessengerecht, wenn der Käufer die gesamten Reparaturkosten zunächst selbst tragen müsse und erst nach Abschluss Erstattung vom Verkäufer verlangen könne. Im Kaufrecht existiere hier auch – anders als im Werkvertragsrecht – kein Anspruch auf Vorschuss.

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