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Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs wegen Unfallschadens

OLG Hamm, Urteil vom 30.05.2017, AZ: I-28 U 198/16

Praxis

Das Berufungsurteil des OLG Hamm beschäftigt sich mit zahlreichen praxisrelevanten Fragen der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs: Der (auch handschriftliche) Zusatz auf einem Vertragsformular, das Fahrzeug sei „unfallfrei“ führt zu einer Haftung des Verkäufers. Diese Beschaffenheitsangabe wird von den Gerichten nicht so interpretiert, als würde sie sich nur auf die Besitzzeit des Händlers beziehen. Bei derartigen Erklärungen ist also Vorsicht geboten. Der vom Kläger geschuldete Nutzungsersatz fiel geringer aus, da das Gericht die Ansicht teilte, bei einem derart motorisierten Fahrzeug sei bezüglich der Gesamtlebensdauer von einer erheblichen Laufleistung auszugehen.

Wichtig für die Praxis ist auch die Aussage des OLG Hamm, dass der Käufer vom Verkäufer nicht doppelt Zinsen verlangen kann. Beantragt er bezüglich der Rückzahlung des Kaufpreises auch die Verurteilung zur Zinszahlung, so kann er nicht zusätzlich Schadenersatz für erzielbare Kapitalzinsen verlangen. Ansonsten würde zulasten des Händlers eine Doppelverzinsung vorgenommen. Das LG Essen hat diesen Umstand noch übersehen und dem Kläger weiteren Schadenersatz zugesprochen.

Hintergrund

Das OLG Hamm befasste sich als Berufungsinstanz mit einem Gebrauchtwagenkauf. Der Kläger erwarb das Fahrzeug vom Typ C. Anfang 2014. Der Pkw wurde erstmals am 11.06.2007 zugelassen und hatte zum Zeitpunkt des Verkaufs einen Kilometerstand von 169.000.
Der verklagte Kfz-Händler lieferte das Fahrzeug am 26.02.2014 beim Kläger an. Auf dem Vertragsvordruck vermerkte der Beklagte ergänzend handschriftlich den Zusatz „unfallfrei“. Nach Übergabe und Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.400,00 € stellte der Kläger einige Zeit später fest, dass an dem Fahrzeug Unfallspuren vorhanden waren. Mittels Anwaltsschreiben vom 13.03.2014 erklärte er gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte solle ihm, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, 13.400,00 € Kaufpreis erstatten. Bezüglich eines eventuellen Nutzungsentschädigungsanspruchs auf Beklagtenseite erklärte der Kläger die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen gegenüber dem Beklagten. Als Kfz-Händler hätte dieser einen Anlagezins in Höhe von 4 % des Kaufpreises erzielen können.

In der ersten Instanz (LG Essen, AZ: 12 O 265/14) behauptete der Beklagte der Zusatz „unfallfrei“ sei so zu verstehen gewesen, dass das Fahrzeug in seiner Besitzzeit keinen Schaden erlitten habe, was auch zuträfe. Bezüglich der Unfallfreiheit hörte das LG Essen mehrere Zeugen und holte ein Sachverständigengutachten ein. Aus dem Gutachten ergab sich, dass das verkaufte Fahrzeug tatsächlich einen Unfallschaden aufwies.

Letztendlich verurteilte das LG Essen den Beklagten zur Rückzahlung von 6.847,59 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw. Von dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.400,00 € müsse sich der Kläger allerdings einen Abzug von Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.557,33 € gefallen lassen – dies bezogen auf eine zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km und eine vom Kläger zurückgelegte Laufleistung von 74.434 km. Umgekehrt könne der Kläger vom Beklagten die Erstattung von Nutzungen in Höhe von 4 % des Nettokaufpreises verlangen, was einen Betrag in Höhe von 1.104,92 € ergebe.

Die Berufung des Beklagten vor dem OLG Hamm war teilweise erfolgreich.

Aussage

Das OLG Hamm interpretierte in Übereinstimmung mit dem LG Essen den handschriftlichen Zusatz „unfallfrei“ auf dem Kaufvertrag, welchen der Beklagte vorgenommen hatte, nicht so, dass sich diese Aussage nur auf die Besitzzeit des Beklagten beziehen sollte. Die Erklärung müsse aus verständiger Sicht des Klägers so aufgefasst werden, dass der Beklagte als Kfz- Händler eine gewissenhafte Ankaufüberprüfung vorgenommen habe und deshalb dafür einstehen wolle, dass es keine unfallbedingten Vorschäden an dem Fahrzeug gebe.

Sodann stellte das OLG Hamm fest, dass erstinstanzlich mittels Sachverständigengutachten bestätigt wurde, dass das verkaufte Fahrzeug einen Unfallschaden aufwies. An dieses Ergebnis sah sich das Berufungsgericht gebunden. Damit stand dem Kläger grundsätzlich der Rückabwicklungsanspruch zu. Weiterhin bestätigte das OLG Hamm die Annahme des LG Essen, bei der Verrechnung von Nutzungsausfall von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km auszugehen. Der Pkw Modell C. verfüge über einen großvolumigen Sechs-Zylindermotor mit einer für solche Motoren vergleichsweisen geringen Motorleistung, was auf eine hohe Gesamtlaufleistung schließen lasse.

Da der Kläger mit dem Fahrzeug zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung mittlerweile bereits 96.000 km zurückgelegt hatte, fiel der Betrag an zu erstattender Nutzungsentschädigung höher aus und wurde vom OLG Hamm mit 9.746,56 € berücksichtigt.

Das OLG Hamm bestätigte zwar grundsätzlich, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Verzinsung des bezahlten Kaufpreises habe – dies in Höhe von 4 %. Hier sei die Behauptung des Klägers, der Beklagte hätte mit dem vereinnahmten Kaufpreis entsprechende Kapitalzinsen erzielen können, erstinstanzlich ausreichend und schlüssig gewesen. Der Beklagte hätte hier näher darlegen müssen, wieso er nicht entsprechende Kapitalzinsen hätte erzielen können. Anders als das LG Essen errechnete das OLG Hamm allerdings lediglich einen Anspruch auf zu erzielende Zinsen in Höhe von 36,53 €. Die Zinsdauer habe mit dem Empfang des Geldes am 26.02.2014 begonnen, allerdings kurz darauf schon wieder geendet, weil dem Kläger ab dem 28.03.2014 bereits Verzugszinsen zugesprochen worden wären. Es bestehe kein Anlass, dem Kläger einen Vorteil durch eine Doppelverzinsung zugutekommen zu lassen.

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